Das Zweite Vatikanum aus Sicht der multilateralen Ökumene

Abbildung Buch

"Blick zurück nach vorn": In dem neuen Buch der ACK sind die Beiträge einer Tagung zum multilateralen Blick auf das Zweite Vatikanum versammelt, Foto: echter

(20.06.2016) Das Ziel der Einheit nicht aus den Augen verlieren und auf dem Weg der Ökumene stetig weitergehen. Dazu ermutigen die Beiträge eines Buches, das ACK-Geschäftsführerin Elisabeth Dieckmann und der ehemalige Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann gemeinsam im echter-Verlag herausgegeben haben. Es dokumentiert die Tagung „Blick zurück nach vorn“ im Erbacher Hof (Mainz) im Mai 2014, die das Zweite Vatikanum aus der Sicht der multilateralen Ökumene untersuchte.

Das Vatikanum aus Sicht verschiedener Konfessionen

In den Beiträgen nehmen Vertreter verschiedener Konfessionen zu den Texten des Zweiten Vatikanums Stellung, unter ihnen baptistische Theologen wie die Oldenburger Kirchenhistorikerin Andrea Strübind und der emeritierte Professor für Konfessionskunde in Bochum, Erich Geldbach, der mennonitische Theologe Fernando Enns (Hamburg) und der orthodoxe Theologe Assaad Elias Kattan (Münster). In den Beiträgen wird deutlich, wie sehr insbesondere das Ökumenismus-Dekret das ökumenische Miteinander verändert hat. Allerdings stünden die Texte nur am Anfang einer Entwicklung, deren Ende noch lange nicht erreicht sei. Ein wesentlicher Schritt sei damit getan worden, das Heilswirken Gottes auch in anderen Kirchen als der römisch-katholischen anzuerkennen. Es schmerze nach wie vor, dass die Kirchen der Reformation mit der Bezeichnung „kirchliche Gemeinschaften und nicht Kirchen im eigentlichen Sinn“ belegt würden.

Das Ökumenismusdekret gab den Ausschlag

Als „Kopernikanische Wende hin zur Ökumene“ bezeichnet der ehemalige Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann das Ökumenismus-Dekret „Unitatis Redintegratio“ in seinem Beitrag. Es habe die Beteiligung der katholischen Kirche an der ökumenischen Bewegung befördert und eine größere Gemeinsamkeit mit den anderen Konfessionen geschaffen. In einer Rückschau auf die Wirkung des Dokuments zog Lehmann eine durchmischte Bilanz. Man habe zwar in der Ökumene viel erreicht, aber es werde nun versucht, sich „in dem, was erreicht worden ist, gut einzurichten und an den entscheidenden Fragen nicht weiterzuarbeiten“. Besonders im Blick auf die ethische Gestaltung der Gesellschaft sei es zu wichtigen gemeinsamen Positionen gekommen, zum Beispiel im Blick auf den Sonntagsschutz, die karitative Arbeit oder die Gestaltung einer sozialen Gesellschaft.

Die Notwendigkeit einer tiefgreifenden theologischen Arbeit betont auch der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kurt Kardinal Koch, in seinem Beitrag. „Das Ziel unserer ökumenischen Bemühungen muss die sichtbare Einheit der Christen bleiben“, betont der Kardinal. „Wenn das Christentum die Einheit aufgibt, gibt es sich selbst auf.“ Gleichzeitig bestehe noch großer Klärungsbedarf bei der Frage nach dem jeweiligen Kirchenverständnis. Koch regt an, insbesondere das sakramentale Band der Taufe zu stärken und die geistliche Ökumene zu fördern. „Im Gebet sind wir schon jetzt vereint und wir verdeutlichen, dass uns die Einheit nur von Gott geschenkt werden kann“, schreibt Kardinal Koch.

Modelle der sichtbaren Einheit

In einem Beitrag des ehemaligen ACK-Vorsitzenden Friedrich Weber, der im Januar 2015 verstarb, wird die Leuenberger Konkordie von 1973 als gelingendes Modell einer Kirchengemeinschaft vorgestellt. „Die Konkordie ist kein Einheitsdokument, sondern zeigt auf, wie Kirchen sich gegenseitig anerkennen und miteinander ihren Glauben in Verkündigung und den Sakramenten leben können“, so Friedrich Weber. Diese Gemeinschaft führe aber zu einem verbindlichen Miteinander. Allerdings sei auch diese Gemeinschaft erst nach langem Ringen zustande gekommen: „Wenn Ungeduld in ökumenischen Fragen aufkommt, erinnere ich immer daran, dass wir als lutherische und reformierte Kirchen 450 Jahre lang beim Abendmahl getrennt waren.“

Auch ökumenische Persönlichkeiten des Konzils wie der EKD-Beobachter Edmund Schlink sowie Papst Paul VI. und der orthodoxe Patriarch Athenagoras werden vorgestellt. Außerdem wird aufgezeigt, wie das Zweite Vatikanische Konzil das ökumenische Denken grundlegend verändert hat. Schließlich werden Perspektiven eröffnet, welche Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils die ökumenische Zukunft weiter beeinflussen und verändern können.

Der Rückblick auf dieses epochale Ereignis aus der Sicht unterschiedlicher Kirchen lässt wie bei einem Kaleidoskop Facetten erscheinen, die die bisherige Deutung des Konzils befruchten können. Dabei geht es um die historische Retrospektive und zugleich um die Frage, wie das Konzil die Kirchen heute auf ihrem Weg zur Einheit und zu einem gemeinsamen Engagement angesichts der Herausforderungen der Zeit inspirieren kann.

Elisabeth Dieckmann/Karl Kardinal Lehmann (Hg.), Blick zurück nach vorn. Das Zweite Vatikanum aus der Perspektive der multilateralen Ökumene, echter Verlag 2016, 312 Seiten, ISBN 978-3-429-03988-2, 29,00 Euro (D).