Gedenken an Reichspogromnacht bleibt aktuell

Meonrah im Essener Dom, Foto: Dieter Schütz; pixelio.de

Meonrah im Essener Dom, Foto: Dieter Schütz; pixelio.de

(9.11.2015) Angesichts von Ausländerfeindlichkeit, Fremdenhass und Antisemitismus sei das Gedenken an die sogenannte "Reichspogromnacht" bleibend aktuell, sagte der Vorsitzende des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses der ACK in Deutschland, Professor Thomas Söding (Bochum), in seiner Predigt in einem ökumenischen Gottesdienst anlässlich des Gedenktages im Dom zu Essen. Wo Unrecht geschehe und die Menschenwürde verletzt werde, müsste die Stimme für die Opfer erhoben werden: "Die Augen und den Mund aufzumachen, ist ein Gebot der Menschlichkeit, insbesondere wenn man Taten sprechen lässt. Menschlich zu sein, kann einen hohen Preis kosten. Je unmenschlicher die Verhältnisse sind, desto höher ist er", sagte Söding. Die Kirchen trügen dabei eine besondere Verantwortung, gerade weil sie in den Zeiten des nationalsozialistischen Terrors nicht eindeutig ihre Stimme erhoben hätten. Erst nach 1945 habe eine Besinnung eingesetzt, die das Gedenken an die Opfer der Shoa möglich und das Verhältnis zum Judentum neu geordnet habe. Als Beispiel nannte Söding das Dokument "Nostra aetate" (In unserer Zeit) des Zweiten Vatikanischen Konzils, in dem die römisch-katholische Kirche die bleibende Erwählung des Volkes Israel benannt und eine positive Israeltheologie entwickelt habe.

Söding machte anhand des Lukasevangeliums deutlich, dass bereits im Neuen Testament die Christen gemahnt wurden, wie sie auf die Zerstörung des Tempels in Jerusalem reagieren sollen: nicht mit Anklagen und Rechthaberei, sondern mit Mitleid, das sich im Zeugnis, im Gebet und in tatkräftiger Anteilnahme zeige. Dies zeigten auch die Figuren in den Passionsgeschichte des Lukas: "Die Frauen von Jerusalem, mitten aus dem jüdischen Volk, haben nicht weggeschaut und geschwiegen, sondern hingeschaut und den Mund aufgemacht, mit Klagen und Tränen. Sie werden von Lukas zu Vorbildern für alle, denen die Leidensgeschichte verkündet wird: Wenn sie das Kreuz hinter Jesus hertragen wollen, dann kann es kein halbes Engagement geben, sondern nur ein Eintreten für all die, für die Jesus sein leben hingegeben hat, um ihnen das Leben zu schenken."  

Predigt von Thomas Söding am 9. November in Essen