Lernerfahrungen auf dem Pilgerweg: ÖRK-Zentralausschuss tagte in Norwegen

Mitglieder des Zentralausschusses beraten miteinander.

Die deutschen Delegierten Bischof Martin Hein (links) und Anne Heitmann (Mitte) beraten eine Vorlage bei der Tagung des ÖRK-Zentralausschusses, Foto: ÖRK

Blick in den Tagungsraum

Der Zentralausschuss des ÖRK bei seiner Tagung in Trondheim, Foto: ÖRK

Fernando Enns

Fernando Enns berichtet über die Aktivitäten beim Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens, Foto: ACK

(29.06.2016) Der "Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens" und der Text "Die Kirche: auf dem Weg zu einer gemeinsamen Vision" standen im Zentrum der Tagung des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) im norwegischen Trondheim vom 22. bis 28. Juni. Der Zentralausschuss ist ein Leitungsgremium, das alle zwei Jahre zusammenkommt, und besteht aus 150 gewählten Vertreterinnen und Vertretern aus den 345 ÖRK-Mitgliedskirchen. Die Mitglieder des aktuellen Zentralausschusses wurden 2013 auf der 10. ÖRK-Vollversammlung in Busan (Republik Korea) gewählt.

Bischof Hein: Frage nach Beziehung von Religion und Gewalt

Auch der stellvertretende Vorsitzende der ACK in Deutschland, Bischof Martin Hein (Kassel), nahm als Mitglied des Zentralausschusses an der Sitzung in Norwegen teil. "Einen wesentlichen Schwerpunkt bildete die Frage nach den Beziehungen von Religion und Gewalt", gab Bischof Hein seinen Eindruck von der Tagung wieder. "Gerade die Kirchen im Nahen Osten berichteten von ihren Erfahrungen in einer muslimischen Umwelt, wo der religiös begründete Extremismus spürbar zunimmt. Auch der Konflikt zwischen Israel und Palästina kam ausführlich zur Sprache." Es zeige sich, dass der "Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens" hoch aktuell sei, aber einen langen Atem brauche, sagte Hein. "Ganz wichtig waren für mich in diesem Zusammenhang die gemeinsamen Andachten und Gottesdienste."

Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens setzt Akzente

Mit dem von der Vollversammlung des ÖRK in Busan 2013 ausgerufenen "Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens" bekommen die vielen unterschiedlichen Themen auf der Tagesordnung eine gemeinsame Perspektive, sagte Anne Heitmann, Ökumenereferentin der Evangelischen Landeskirche in Baden und Mitglied des Zentralausschusses. Es gehe für die Kirchen darum, "denen am Rand eine Stimme zu geben, denen, die 'unsichtbar' sind – ob das Flüchtlinge in der Illegalität sind, junge Afroamerikaner, die übermäßiger Polizeigewalt ausgesetzt sind oder Angehörige des indigenen Volks der Sámi in Nordskandinavien".  

Der Pilgerweg habe bereits wichtige Akzente setzen können, berichtete Fernando Enns, stellvertretender Delegierter der Arbeitsgemeinschaft mennonitischer Gemeinden bei der ACK sowie Mitglied des Zentralausschusses. Dazu gehörte der erfolgreiche Pilgerweg für Klimagerechtigkeit von Trondheim zur UN-Konferenz in Paris Ende 2015, aus der ein richtungsweisendes Abkommen zur Eindämmung de Klimawandels hervorgegangen sei. Zum anderen nannte Enns die Initiativen für den Frieden im Nahen Osten sowie Besuche bei den Kirchen in der Region. Außerdem hatte eine Delegation des ÖRK Hiroshima und Nagasaki anlässlich des 70. Jahrestages des Atombombenabwurfs besucht und der Opfer gedacht. In Lateinamerika habe die Pilgerreise dazu beigetragen, die Kirchen spirituell zu beleben und in ihrem Engagement zu bestärken.

Kirche ist eine Gemeinschaft der Hoffnung

Im seinem Bericht beschrieb ÖRK-Generalsekretär Olav Fykse Tveit die Kirche auf dem Pilgerweg als „eine Gemeinschaft, die durch Hoffnung definiert ist“. Er erklärte: „Hierbei geht es nicht um allgemeinen Optimismus, sondern darum, einen Grund und eine Motivation für Hoffnung zu vermitteln. Häufig bedeutet es, mehr zu erkennen, als wir sehen, und mehr bzw. etwas anderes zu erwarten: nichts weniger als Gerechtigkeit und Frieden zu suchen. Hoffnung ist ein Kriterium unseres christlichen Glaubens.“ Der Generalsekretär bezog sich auf Beispiele, die im Bericht des Exekutivausschusses über ÖRK-Aktivitäten seit 2014 genannt wurden, und nannte Stationen des Pilgerwegs wie die koreanische Halbinsel, die Ukraine, den Libanon, Israel und Palästina, den Südsudan, Burundi, Kolumbien, Nigeria und Städte in den USA, in denen es zu Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen kam.

Die sichtbare Einheit bleibt das Ziel

Nur eine gemeinsame Vision der Kirche könne die Hindernisse auf dem Weg zur Einheit der Christen beseitigen, sagte Pastor Odair Pedroso Mateus, Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, beim Plenum zum Thema "Christliche Einheit". Diskutiert wurde die Konvergenzerklärung "Die Kirche: Auf dem Weg zu eine gemeinsamen Vision" und die Rezeption des Textes durch die Kirchen. Schon die Auseinandersetzung mit dem Text sei eine Form der "spirituellen Ökumene". Über 20 Jahre hatte der Prozess gedauert, der schließlich in der Veröffentlichung des Textes mündete, berichtete Marina Kolovopoulou von der Kirch Griechenlands. Die Erklärung stelle im Blick auf die Ekklesiologie keinen vollständigen Konsens er, zeige aber Konvergenzen und Gebiete, die angesprochen werden sollten. Die theologische Bedeutung zeige sich darin, dass der Text "die Wahrheit an den Tag legt, die wir uns gegenseitig schulden", so Kolovopoulou. Andrzej Choromanski vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen lobte die Erklärung als einen "Schritt in Richtung der vollständigen und sichtbaren Einheit der Kirche" und berichtete von der Rezeption des Textes durch den päpstlichen Einheitsrat. Susan Durber Vorsitzende der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung fasste den Kern der Erklärung darin zusammen, "dass es einen Gott gibt, der eine Mission für die Welt hat, nämlich ihre Zerbrochenheit und ihren Schmerz zu heilen. Gott in Christus hat die Kirche aufgerufen, sich an dieser Mission Gottes zu beteiligen. Um Teil der Mission Gottes zu sein, müssen wir selbst geheilt werden, und unsere eigene Zerbrochenheit und unsere Trennungen müssen überwunden werden, damit wir ein Zeichen und ein Diener von Gottes Mission für die Welt sein können. Darum ist Ekklesiologie wichtig."

Die Einheit der Christen habe einen konkreten Zweck und sei in unserer Zeit von Relevanz, so Durber. „Die Kirche muss sich erneuern und Gottes Gabe der Gemeinschaft empfangen, damit wir Zeugnis für diese Gabe in der Welt ablegen können. Welche Aufgabe sollte die Kirche sonst haben, als Gottes Heilsplan für die Welt zu dienen, die liebende Verbundenheit in der gesegneten und heiligen Dreieinigkeit zu spiegeln und an Gottes Werk der Heilung einer zerbrochenen Welt teilzuhaben?

Weitere Informationen zur Tagung des Zentralausschusses finden Sie hier.

Ein Rückblick auf die Tagung des Zentralausschusses von Anne Heitmann