Gemeinsames Zeugnis für Versöhnung: Gottesdienst zur Gebetswoche in Wittenberg

Mauer in der Kirche wird aufgebaut

Während des Gottesdienstes in der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg wurde eine symbolische Mauer der Schuld aufgebaut und wieder eingerissen. Foto: ACK

Im Anschluss an den Gottesdienst wurde der Ökumenepreis 2017 an die ACK in Bremen vergeben. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (re.), gratulierte dem innovativen Projekt.

(22.01.2017) Das Geschenk der Ökumene verpflichtet dazu, sich als Christen gemeinsam für Versöhnung und ein friedliches Miteinander einzusetzen, sagte Bischof Karl-Heinz Wiesemann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, beim zentralen Gottesdienst anlässlich der weltweiten Gebetswoche für die Einheit der Christen am 22. Januar in der Stadtkirche St. Marien in Lutherstadt Wittenberg. An dem Gottesdienst wirkten u.a. der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sowie Landesbischöfin Ilse Junkermann und Bischof Gerhard Feige mit. Im Anschluss an den Gottesdienst verlieh die ACK den Ökumenepreis 2017 an die ACK in Bremen für ihr Projekt „Ökumenische Staffel der Gastfreundschaft“. 

Europa steht vor großer Herausforderung durch Nationalismen

Europa stehe vor einer großen Herausforderung, sagte Bischof Wiesemann in seiner Predigt. Angesichts erstarkender Nationalismen und zunehmender Abgrenzung hätten Christen die besondere Verantwortung, die Botschaft von Frieden und Versöhnung gemeinsam zu bezeugen. Dazu verpflichte die eigene Geschichte: „Wir haben, und es treibt uns heute die Schamröte ins Gesicht, auch eine blutige Geschichte hinter uns, die selbst vor dem Mittel des Krieges nicht gescheut hat und die Waffen gegen Brüder und Schwestern des gemeinsamen christlichen Glaubens richtete.“ Vor dem Hintergrund der aktuellen globalen Entwicklungen werde erst richtig bewusst, was für ein Schatz die ökumenische Bewegung und die darin in den letzten Jahrzehnten erzielten Erfolge bedeuteten. „Wie hoch aktuell das ist, wird auf dem Hintergrund jüngster Äußerungen am rechten Rand der Gesellschaft schlagartig deutlich, die für unser Land eine erinnerungspolitische Wende fordern, frei nach dem Motto: Make Germany great again!", sagte Wiesemann unter Anspielung auf den AfD-Politiker Björn Höcke und den US-Präsidenten Donald Trump. „Als Christen wissen wir: Niemand wird groß dadurch, dass er seine eigene Schuldgeschichte ausblendet, ganz im Gegenteil: Niemals wächst auf solchem Grund anmaßender Selbstgerechtigkeit Versöhnung und Frieden." Die ACK erinnere dabei nicht nur an das Leid, das sich die beiden großen Kirchen einander angetan haben, sondern gerade auch an das, was manche der kleineren Kirchen und Gemeinschaften an Ausgrenzung oder gar Verfolgung erlitten hätten.

ACK in Deutschland hat Texte vorbereitet: Impuls zur Versöhnung

Diese Erfahrung wollte die ACK in Deutschland weitergeben, indem sie die weltweit genutzten Texte für die Gebetswoche unter dem Motto „Versöhnung – die Liebe Christi drängt uns (vgl. 2 Kor 5,14-20)“ erarbeitete. Die seit mehr als 100 Jahren bestehende Gebetswoche wird weltweit vom 18.-25. Januar begangen. Jeweils ein Land erarbeitet die Texte, die dann von allen Kirchen genutzt werden, um für Einheit und Versöhnung der Christen zu beten. Bewusst wurde für die zentrale Feier der Gebetswoche der symbolträchtige Ort der Wittenberger Stadtkirche gewählt. In dem Gottesdienst wurde in Erinnerung an die Versöhnung nach dem Fall der Mauer in Deutschland auch eine symbolische Mauer errichtet und wieder abgetragen.

„Wem, wenn nicht uns, ist es gegeben, ganz an die Kraft der Versöhnung, die selbst abgründigste Verletzung heilen kann, gegen alle Widerstände, Ängste und Machtspiele, zu glauben und sich durch keinen Hass und keinen Demagogen dieser Welt beirren zu lassen?“, sagte Bischof Wiesemann. Es sei ein wichtiges Zeichen, dass zum ersten Mal in der Geschichte gemeinsam das Gedenken an die Reformation begangen werde. Es gelte nun, 500 Jahre nach der großen abendländischen Kirchenspaltung, die Chancen zu nutzen, als Christen in einer schwierigen Situation der Menschheit Mut zur Versöhnung zu machen.

Vision der sichtbaren Einheit nicht aufgeben

Im Blick auf die Zukunft der Ökumene mahnte Bischof Wiesemann, sich nicht mit einem friedlichen Nebeneinander der Konfessionen zufrieden zu geben. „Ein Verharren in einer Art versöhnter Verschiedenheit ohne das Drängen der Liebe zu sichtbarer Einheit entspricht nicht dem Evangelium – und auch nicht unserer gemeinsamen Selbstverpflichtung in der Charta Oecumenica“, sagte Bischof Wiesemann. „Die Heilige Schrift gibt uns die Vision der sichtbaren Einheit vor, von der wir immer tiefer in Verstand und Gemüt ergriffen werden und uns im Handeln leiten lassen sollen.“

Wiesemann feierte den Gottesdienst zusammen mit zahlreichen Geistlichen verschiedener Konfessionen, unter ihnen die stellvertretenden Vorsitzenden der ACK, Erzpriester Constantin Miron (Orthodoxe Bischofskonferenz) und Reverend Christopher Easthill (Anglikanische Kirche), der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischöfin Ilse Junkermann (Evangelische Kirche in Mitteldeutschland), Landesbischof Carsten Rentzing (Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens), Kirchenpräsident Joachim Liebig (Evangelische Landeskirche Anhalts), Bischof Gerhard Feige (Bistum Magdeburg) und der Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Hans-Jörg Voigt (Hannover).

ACK in Bremen wurde Ökumenepreis 2017 verliehen

Im Anschluss an den Gottesdienst wurde bei einem Empfang im Katharinensaal der Ökumenepreis der ACK 2017 an die ACK in Bremen für ihr Projekt „Ökumenische Staffel der Gastfreundschaft“ verliehen. Der Ökumenepreis der ACK fördert insbesondere multilaterale, originelle, theologisch reflektierte und übertragbare Projekte. Die Jury aus Mitgliedern verschiedener Konfessionen kürte das Projekt als Preisträger unter mehr als 40 Bewerbungen. Das Projekt, bei dem sich mehr als 40 Gemeinden verschiedener Konfessionen in Bremen gegenseitig besuchten und austauschten, betone in besonderer Weise den christlichen Wert der Gastfreundschaft und sei auch gut an anderen Orten durchführbar, heißt es in der Begründung der Jury. Der Ökumenepreis wird alle zwei Jahre vergeben, das Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro wird durch die Evangelische Bank und die Bank für Kirche und Caritas zur Verfügung gestellt.  

Predigt von Bischof Karl-Heinz Wiesemann

Bildergalerie vom Gottesdienst und der Preisverleihung

Weitere Informationen zur Gebetswoche für die Einheit der Christen finden Sie unter www.gebetswoche.de sowie zum Ökumenepreis der ACK unter www.oekumenepreis-der-ack.de.