(03.11.2015) Kirchenführer aus 20 Ländern und 35 Bischöfe haben den Regierungen Unterstützung bei der Suche nach langfristigen Lösungen der Flüchtlingskrise angeboten. Zugleich forderten sie die Parteien auf, die humanitäre Krise nicht für politische Ambitionen zu missbrauchen oder Vorteile daraus zu ziehen. Die Ängste in der Bevölkerung dürften nicht die Gestaltung der Politik bestimmen, heißt es in einem am 30. Oktober in München veröffentlichten gemeinsamen Papier. Zu dem Treffen hatten u.a. der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) und die EKD eingeladen. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm nannte die Kirchen einen wichtigen internationalen Akteur der Zivilgesellschaft. „Wir wollen in unseren Ländern Mut machen, auch in Zukunft solidarisch mit Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror zu sein.“ ÖRK-Generalsekretär Olav Fykse Tveit lobte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese habe eine klare und verantwortungsvolle Führung bewiesen, als sie Menschen auf der Flucht Schutz geboten habe. In diesen Tagen brauche es politisch Verantwortliche, die ihr Handeln auf Menschenwürde gründeten.
In ihrem Papier räumen die Kirchen ein, dass die Integration der Neuankömmlinge harte Arbeit bedeute. Christen aber seien ein Volk der Hoffnung, „und wir können die Ankunft von Flüchtlingen in unserer Mitte als einen potenziellen Segen ansehen“. Im Geiste der Solidarität, Zusammenarbeit und Gemeinsamkeit müsse Europa nicht nur diese Notsituation bewältigen, sondern die damit verbundenen Herausforderungen schultern. So gehe es darum, die Menschen in die Gesellschaft zu integrieren und ihnen Bildung zu geben. Weiter forderten die Kirchen die politischen Führer auf, ausgewogene Antworten auf die Krise zu finden und die eigentlichen Ursachen der Flüchtlingskatastrophe zu bekämpfen.
An der Konsultation nahmen Vertreter protestantischer und orthodoxer Kirchen Europas, des Nahen Ostens und Afrikas teil ebenso wie die katholische und anglikanische Kirche. Laut Bedford-Strohm waren sich die Vertreter der Kirchen im Blick auf ihre Aufgabe einig. Christen hätten nicht nur eine individuelle Verantwortung, sondern auch eine politische. Wenn Europa sich immer wieder auf seine christlichen Wurzeln berufe, müsse dies auch zu sehen sein. Außerdem gehöre dazu, mit verantwortlichen Politikern zu reden, ohne dass es öffentlich werde. Das seien mit die effektivsten Gespräche. Genauso aber brauche es öffentliche Erklärungen. Tveit rief die politisch Verantwortlichen auf, in Syrien endlich ein Zusammenleben der verschiedenen Religionen wieder möglich zu machen. Zugleich sprach er sich für neue Typen von Kooperationen zwischen den Religionen aus. Die Generalsekretärin der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa, Doris Peschke, votierte für legale, sichere Fluchtwege in Europa. Dann könnten auch Schlepper kein Geschäft mehr machen. Metropolit Gabriel von Nea Ionia und Filadefia aus Griechenland erklärte, trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage versuche seine Kirche zu helfen. So bemühe sie sich etwa darum, die vielen auf Lesbos ankommenden Flüchtlinge zu versorgen. Bedford-Strohm sagte, die in Deutschland vorhandene Bereitschaft zur Hilfe für Flüchtlinge sei eine neue Entdeckung der Gesellschaft gewesen. Diesen „Honeymoon of help“ gelte es nun zu bewahren und nachhaltig zu machen. Die Freiwilligen bräuchten dafür die Unterstützung von Hauptamtlichen.
(Quelle: Katholische Nachrichtenagentur, Ökumenische Information 45, 3. November 2015, S. 2)