Papst bittet Waldenser um Entschuldigung

Die Waldenserkirche in Turin, Bild: Wikipedia Commons

(22.06.2015) Papst Franziskus hat die jüngere Kirchengeschichte um eine historische Vergebungsbitte bereichert. Am 22. Juni besuchte er in Turin die Kirche der Waldenser. Jahrhundertelang hatte die katholische Kirche die protestantische Glaubensgemeinschaft als Ketzer und Häretiker verfolgt – mit Feuer und Schwert, es ging um deren physische Ausrottung. Keiner weiß, wie viele Menschen im Mittelalter durch die als „Kreuzzüge" bezeichneten Vernichtungskampagnen umkamen. „Für die katholische Kirche bitte ich euch um Vergebung für all jene unchristlichen, ja unmenschlichen Handlungen und Einstellungen, die wir in der Geschichte gegen euch gerichtet haben. Im Namen Christi, vergebt uns!", sagte der Papst. Nach seiner Rede folgte ein lauter Applaus der Gemeinde.

Die im 12. Jahrhundert vom Lyoner Kaufmann Petrus Valdes (um 1140-1206) gegründete Glaubensgemeinschaft zählt heute rund 100.000 Mitglieder. Sie leben vor allem in Italien. Ihre Forderung nach radikaler Armut, der Protest gegen Ablasshandel und Heiligenverehrung, gegen die Kirchenhierarchie und das Monopol des Lehramts brachten ihr den Zorn Roms ein. Seit Jahren wachsen das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Waldensern. Beide hätten ihre „Brüderlichkeit" im Glauben an Jesus Christus wiederentdeckt, so Franziskus. Er sprach aber auch weiterbestehende „wichtige Differenzen in anthropologischen und ethischen Fragen" an.

Wie selbstverständlich richtete der Papst seine Rede an die Brüder und Schwestern der Waldensischen „Kirche". In offiziellen katholischen Stellungnahmen werden Protestanten dagegen lediglich als „kirchliche Gemeinschaften" bezeichnet. Waldenserpfarrer Eugenio Bernardini bat den Papst ganz direkt um eine Änderung, nebst konkretem Datum: „Wir haben nie begriffen, was dieser Ausdruck bedeutet. Eine halbe Kirche? Ein Kirche, die keine Kirche ist? Wir glauben, das muss überwunden werden. Ein schöner Anlass wäre das Jahr 2017, wenn wir an 500 Jahre Reformation erinnern." Auch wenn die Vergebungsbitte somit aus Sicht der Waldenser eine historische Etappe bleibt, zählte dieser Moment sicherlich zu den bisherigen ökumenischen Höhepunkten im Pontifikat von Franziskus.

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