Drei Fragen an Bischöfin Rosemarie Wenner

Der Ökumenische Rat der Kirchen, der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog und die Weltweite Evangelische Allianz haben ein gemeinsames Dokument zum christlichen Zeugnis in einer multireligiösen Welt vorgestellt. Tenor des Papiers: Ein grundsätzlicher Respekt vor Menschen anderen oder auch keines Glaubens. Braucht es bei so viel Achtung vor dem Glauben anderer eigentlich noch christliche Mission?

Wenner: Mission gehört zum christlichen Glauben dazu. Sie ist keine besondere Aktion, die man machen oder lassen kann. Gott begibt sich in seine Welt hinein und wurde in Jesus Christus Mensch. Diese Bewegung Gottes geht weiter, indem alle Christen und Christinnen in Wort und Tat bezeugen, dass sie im Glauben an Christus Hoffnung finden. Weil wir uns bei diesem Zeugnis an Jesus Christus orientieren, kann Mission nur respektvoll weitergegeben werden. Im Namen Gottes laden wir ein, Jesu Spur zu folgen. Wir drängen nicht. Wir überreden nicht. Und vor allem sind wir davon überzeugt, dass jeder Mensch, gleichgültig, wer er ist, was sie kann und was er glaubt, von Gott mit Wert und Würde ausgestattet wurde.

Die ACK hat Ende der 90er Jahre einen Diskussionsprozess unter dem Titel „Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene“ begonnen. Heute scheint dieser Prozess ins Stocken geraten zu sein. Andererseits steht das Thema „Mission“ mehr als früher auf der Tagesordnung der Kirchen. Kann letztlich jede Kirche doch immer nur für sich selbst missionarisch sein, oder gibt es noch eine Chance oder gar Notwendigkeit für eine ökumenisch verantwortete Mission?

Wenner: Die ökumenische Bewegung lebt von dem Ziel, das Jesus vorgegeben hat, als er für die Einheit betete „damit die Welt glaube“ (Johannes 17,21). Wir wollen die in Christus geschenkte Einheit verwirklichen, damit das Zeugnis an den einen Gott glaubwürdiger wird. Insofern sollte es selbstverständlich sein, dass wir nicht gegeneinander, sondern miteinander zum Glauben einladen. Heute gibt es neue Ansätze, von einigen römisch-katholischen Bistümern, evangelischen Landeskirchen und der Evangelisch-methodistischen Kirche getragen,  die guten ökumenischen Erfahrungen aus England mit „Fresh Expressions of Being Church“ nach Deutschland zu bringen. Es geht um neue, kreative Wege, Zeitgenossen da aufzusuchen, wo sie sind und mit ihnen Gott zu entdecken. Es entstehen christliche Gemeinden in Cafés, Jugendkirchen oder Treffpunkte für Familien, bei denen es um alte biblische Geschichten und um ganz neue Formen von generationsverbindendem Miteinander geht. Die missionarische Ökumene lebt also wieder auf. Das freut mich.

Der Weltkirchenrat hat ein neues Konzept für Mission und Evangelisation vorgelegt, das bei der ÖRK-Vollversammlung im Herbst 2013 in Busan, Südkorea, verabschiedet werden soll. Es soll eine Verlagerung von der "Mission hin zu den Rändern" zu einer "Mission von den Rändern her" geben. Was heißt das für die missionarische Situation in Deutschland und wo sehen Sie die Herausforderung für Ihre eigene Kirche?

Wenner: Das Dokument „Gemeinsam zum Leben“ findet hoffentlich viel Beachtung. Denn es nimmt Jesu Gesinnung auf, der Gott bei den Außenseitern entdeckte. Der Gründer der methodistischen Bewegung John Wesley wirkte in dieser Linie, wenn er die Gemeinschaft mit den Armen als Gnadenmittel bezeichnete, also als Kanal, um Gottes Gegenwart zu erleben. Gott wird uns in den Menschen begegnen, von denen wir vielleicht meinen, dass wir ihnen Gott zu bringen haben oder mindestens glauben, dass sie auf unsere Hilfe angewiesen sind. Leider haben die Methodisten diesen Teil ihrer Geschichte weitgehend vergessen. Das Dokument des Ökumenischen Rates der Kirchen weckt uns hoffentlich wieder auf. Anstatt die Tatsache, dass in Deutschland viele Menschen nichts mehr von der Kirche erwarten, als Entschuldigung für unseren Rückzug hinter Kirchenmauern zu nehmen, sollten wir uns in die Gesellschaft einmischen. Nicht als Besserwisser, nicht als das „schlechte Gewissen“, das selbstherrlich den Egoismus anderer anprangert, sondern als Mitmenschen, die den Schatz der Hoffnung teilen, der ihnen im Glauben an Christus zufließt.

Hintergrund: Der Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen hat auf seiner letzten Sitzung ein Dokument mit dem Titel "Gemeinsam zum Leben" verabschiedet, das auf der 10. ÖRK-Vollversammlung im kommenden Jahr im südkoreanischen Busan vorgelegt wird. Das letzte Mal hatte der Zentralausschuss vor 30 Jahren (1982) eine Erklärung zu Mission und Evangelisation angenommen. Der Zentralausschuss mit 150 Mitgliedern ist zwischen den Vollversammlungen das wichtigste Entscheidungsgremium des ÖRK. Ihm gehören u. a. der mennonitische Theologe, Professor Fernando Enns (Hamburg), und der Auslandsbischof der EKD, Martin Schindehütte (Hannover), an.

Rosemarie Wenner ist Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in Deutschland und Delegierte in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland ihrer Kirche. Sie ist zur Zeit Präsidentin des internationalen evangelisch-methodistischen Bischofsrates. In ihrer zweijährigen Amtszeit will sie die Themen „Mission und Einheit der Kirche“ in den Vordergrund stellen.