Drei Fragen an Bischof Hans-Jörg Voigt

(Foto: SELK)

Christen in den Kirchengemeinden fragen sich, wie sie mit dem immer stärker werdenden Brauchtum rund um Halloween umgehen sollen. Die Baptisten im Nordwesten verteilen Bauschilder mit dem Aufdruck: „Bei uns ist heute Reformationstag. Halloween steht bei uns nicht im Kalender“. Lutherbonbons statt Süßes und Saures? Wie gelingt es nach Ihrer Meinung, über die Frohe Botschaft und den christlichen Glauben (nicht nur) am Reformationstag ins Gespräch zu kommen gegenüber dem „Erschrecken von Halloween“?

Voigt: Ich glaube, dass es nicht sehr aussichtsreich ist, Kindern in der dunklen Jahreszeit einen unreflektierten Klamauk ausreden zu wollen. Damit will ich die heidnischen Hintergründe von Halloween nicht verharmlosen. Aber es ist womöglich erfolgversprechender, das Allerheiligen Fest am 1. November neu in die Erinnerung von Schulklassen und Konfirmandengruppen zu rufen. Halloween ist ja bekanntlich der „Allerheiligen-Abend“. Luther hat die 95 Thesen am Vorabend dieses Festes veröffentlicht. Und im Sinne der Augsburger Konfession Artikel 21 können wir auch an eine Persönlichkeit wie Luther erinnern. Vielleicht gelingt es auf diese Weise, Halloween ein wenig zu christianisieren.

In Artikel 21 der Augsburger Konfession heißt es: „Vom Heiligendienst wird von den Unseren so gelehrt, dass man der Heiligen gedenken soll, damit wir unseren Glauben stärken, wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren und auch wie ihnen durch den Glauben geholfen worden ist; außerdem soll man sich an ihren guten Werken ein Beispiel nehmen, ein jeder in seinem Beruf.“

Was wir seit einigen Jahren mit Halloween erleben, zeigt, dass die christlichen Kirchen im Lande ihre kulturprägende Kraft verloren haben. Halloween wird gefeiert, ob Christen das gut finden oder nicht. Dramatisieren würde ich dies auf keinen Fall. Da haben wir ganz andere Baustellen.

In Frankfurt feierten Christinnen und Christen einen ökumenischen Gottesdienst am Reformationstag, um das Gemeinsame zu betonen und nicht das Trennende. Gibt es solche ökumenischen Gottesdienste auch in Ihren Gemeinden?

Voigt: Angesichts einer zunehmend sich selbst säkularisierenden Gesellschaft ist es der gewiesene Weg, zuerst und vor allem Gemeinsamkeiten unseres Christusbekenntnisses in den Mittelpunkt zu stellen. Das gilt auch für den Reformationstag. Nach innen sollten wir uns einander im theologischen Gespräch das Fragen nach Glaubenswahrheit und den kritischen Diskurs nicht ersparen, um einander zunehmend besser zu verstehen, Gemeinsamkeiten und noch bestehende Unterschiede herauszuarbeiten. Das ist ja auch das Anliegen der verschiedenen Dialogprozesse, die zwischen der lutherischen und der römisch-katholischen Kirche geführt werden.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Mir ist nicht bekannt, dass SELK-Gemeinden den Reformationstag ökumenisch begehen. Der Reformationstag wird in den meisten SELK-Gemeinden als Abendmahlsgottesdienst gefeiert, so dass dieser Termin aus unserer Sicht für ökumenische Gottesdienste weniger geeignet erscheint. Ausgeschlossen ist ein solcher ökumenischer Wortgottesdienst für SELK-Gemeinden jedoch nicht.

2017 jährt sich der Reformationstag zum 500. Mal. Wo sehen Sie Chancen und Herausforderungen für ein ökumenisches Begehen dieses Jahrestages?

Voigt: Auch diese Frage beinhaltet eine Außen- und eine Innenperspektive: Das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 muss in unserer Gesellschaft eine starke ökumenische Perspektive haben. Das sind wir dem erreichten Stand der gemeinsamen Gespräche, das sind wir der gemeinsamen Geschichte schuldig, das sind wir nicht zuletzt den Menschen im Land schuldig.

Ich halte es aber auch für legitim, mit dem 500. Reformationsjubiläum das Anliegen der Glaubensstärkung, der Selbstvergewisserung und Erinnerung zu verbinden und das ist dann auch nicht unökumenisch zu interpretieren.

Persönlich verstehe ich das Jubiläum weniger als eine Lutherfeier, als vielmehr eine Erinnerung an das, was als Kernanliegen der Reformation bezeichnet werden kann: die Rechtfertigung des Sünders, die sich im gottesdienstlichen Geschehen ereignet. Die „Konzentration“ des Gottesdienstes - im eigentlichen Sinn des Wortes - auf die Gnadenmittel der Sakramente und des gepredigten Wortes Gottes ist der eigentliche Ertrag der Reformation. Das sollten wir meines Erachtens im Blick behalten.

Als Bischof der SELK erinnert mich das Jahr 2017 auch an die 200. Wiederkehr der Kirchwerdung einerseits der Unionskirchen im damaligen Preußen und anderseits der altlutherischen Bekenntniskirchen. Um dieses Datum zu erinnern, soll im Jahr 2013 in Wittenberg ein gemeinsames wissenschaftliches Symposion zwischen UEK und SELK gehalten werden.

Hans-Jörg Voigt ist Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland.