Drei Fragen an Bischof Wiesemann

Das Thema "Schöpfung" war bisher stark im Zusammenhang mit der Ökologie- und Umweltbewegung diskutiert worden. Welchen zusätzlichen Aspekt können die Kirchen in diese Diskussion einbringen?

Wiesemann: Mir ist der Aspekt einer „Ökologie des Menschen" wichtig, der, wie Papst Benedikt XVI. bei seiner Rede im Deutschen Bundestag im September 2011 zu Recht betont hat, bislang in der Diskussion um Umwelt und Schöpfung zu wenig beachtet wird. Wörtlich sagte der Papst: „Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann."

Der Mensch darf also nicht nur beim Umgang mit Tieren und Ressourcen nicht alles tun, was er tun will und tun kann. Auch beim Umgang mit sich selbst und seinen Mitmenschen sind dem Menschen Grenzen gesetzt, die in seiner Natur als Geschöpf angelegt sind, vor allem am Beginn und am Ende des Lebens.

Dass diese Grenzen immer mehr verschoben werden, zeigen z.B. die aktuellen Diskussionen über die Zulassung von Tests zur Früherkennung genetisch bedingter Krankheiten oder über die Sterbehilfe.

Der ökumenische Gottesdienst steht unter dem Motto "Jetzt wächst Neues". Wo sehen Sie in Gesellschaft und Kirche Ansätze für einen neuen Umgang mit der Schöpfung?

Wiesemann: Vor allem sehe ich, dass inzwischen, angestoßen durch die atomare Katastrophe in Fukushima und den globalen Klimawandel, kaum mehr jemand in Frage stellt, dass wir an einem Scheideweg stehen und dass es eine tiefgreifende Umkehr im Denken und Handeln im Umgang mit der Schöpfung braucht.

Und es sind Ansätze sichtbar, dass „Neues wächst", wenn ich etwa an manche Maßnahmen im Bereich Energieversorgung und -einsparung denke; auch wenn ich mir von Politik und Wirtschaft manchmal noch entschiedener als bislang die Entwicklung nachhaltiger, globaler und gerechter Perspektiven und deren konkrete Umsetzung wünsche.

Die Kirche begleitet diesen Prozess kritisch-konstruktiv, z.B. indem sie in einer neu erschienenen Arbeitshilfe der Dt. Bischofskonferenz mit dem Titel „Der Schöpfung verpflichtet" ethische Kriterien für eine nachhaltige Energiepolitik gibt. Darüber hinaus ist sie aber auch selbst in diesem Bereich aktiv, wobei ich nicht ohne einen gewissen Stolz erwähnen möchte, dass die Kirchen mit über 500 Einrichtungen die größte Organisation in Deutschland bilden, die ein nach EU-Richtlinien zertifiziertes Umweltmanagement betreiben.

Auch die Pfarreien und Gemeinden sind eingeladen, den ökumenischen Tag der Schöpfung zu feiern. Welche Möglichkeiten sehen Sie, das Thema Schöpfung in der Pfarrei oder der Gemeinde aufzugreifen?

Wiesemann: Ich möchte alle Pfarreien und Gemeinden dazu aufrufen, den ökumenischen Schöpfungstag in zweifacher Weise zu begehen: liturgisch und praktisch. Denn Beten und Handeln gehören für uns Christen wie zwei Seiten einer Medaille untrennbar zusammen.

Im Gottesdienst zum Schöpfungstag lassen wir unsere eingefahrenen und begrenzten Sichtweisen aufbrechen, indem wir uns zu Gott als dem Schöpfer der Welt bekennen und uns zugleich unserer eigenen Geschöpflichkeit sowie unserer Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe bewusst werden.

Und durch unser konkretes Engagement für die Bewahrung der Schöpfung zeigen wir, dass wir den Schöpfungsauftrag Gottes ernst nehmen und annehmen. Es soll und darf eben nicht bei moralischen Appellen in der Predigt bleiben, sondern es braucht kleine, aber wirksame Schritte vor Ort, die dem Ganzen dienen (z.B. durch den Verkauf fair gehandelter bzw. regionaler Produkte am Pfarrfest).

Dr. Karl-Heinz Wiesemann ist Bischof des Bistums Speyer und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Er hält die Festpredigt bei der diesjährigen bundesweiten Feier am 7. September zum Tag der Schöpfung in Nagold.