Erzpriester Miron im Interview ein Jahr nach seiner Wahl

(31.03.2020) Seit einem Jahr ist der griechisch-orthodoxe Erzpriester Radu Constantin Miron Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Im Interview von KNA-ÖKI äußert er sich über seine Erfahrungen als erster orthodoxer Vorsitzender und über Ökumene im Zeichen der Corona-Krise.

Ein Jahr im Amt des Vorsitzenden: Erzpriester Radu Constantin Miron

Ein Jahr im Amt des Vorsitzenden: Erzpriester Radu Constantin Miron. Foto: ACK/Riffert

KNA:
Sie sind seit einem Jahr der erste orthodoxe Vorsitzende der Bundes-ACK. Hat das Einfluss auf die Wahrnehmung der ACK von außen?

Miron:
Man kann es selbst vielleicht am wenigsten beurteilen; fest steht aber, dass ich nach meiner Wahl ein sehr deutliches und positives Echo von den großen und den kleineren Mitgliedskirchen der ACK bekommen habe, was die Wahl eines Orthodoxen zum Vorsitzenden betrifft. Auffallend ist auch die Zahl diverser Einladungen von staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, die auf einmal den ACK-Vorsitzenden in ihren Verteiler genommen haben und jetzt Wert auf eine Repräsentanz unserer Arbeitsgemeinschaft bei ihren Veranstaltungen legen. So soll, um nur ein Beispiel zu nennen, am 8. Mai des 75-jährigen Jahrestages des Kriegsendes gedacht werden; auch wenn der eigentlich geplante Staatsakt wegen der Pandemie vermutlich nicht in geplanter Weise stattfinden kann, ist es den federführenden staatlichen Stellen von Anfang an wichtig gewesen, auch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in diese wichtige Veranstaltung mit einzubeziehen.

KNA:
Können Sie die Anliegen der ACK bei den beiden großen Kirchen ebenso gut einbringen wie Ihre Vorgänger, die meist katholische oder evangelische Bischöfe waren?

Miron:
Natürlich gibt es innerhalb und zwischen den beiden größten Mitgliedskirchen der ACK eingespielte Kontakte und Abläufe, die sich nicht über Nacht verändern, wenn jetzt mal ein Dritter das Amt des Vorsitzenden übernimmt. Ich verhehle nicht, dass man, was diese eingefahrenen Mechanismen der zwischenkirchlichen Zusammenarbeit betrifft, sich durchaus Gedanken machen sollte – und mancherorts bereits macht! – wie man auch für die Kommunikation zwischen der ACK und den beiden großen Kirchen strukturelle Verbesserungen erreichen kann. Personell sind wir inzwischen in der glücklichen Situation, wieder hervorragende Referentinnen der EKD und der DBK in unserer Ökumenischen Centrale, der Geschäftsstelle der ACK in Frankfurt, zu haben. Denn Ökumene ist immer auch ein Netzwerk von Beziehungen zwischen Menschen, die sich kennen und möglicherweise sogar schätzen. Ich selbst bin ja auch nicht aus dem Nichts in der multilateralen Ökumene unseres Landes aufgetaucht, sondern habe durch jahre-, sogar jahrzehntelange Arbeit in diversen ökumenischen Gremien sicherlich einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht, der dann auch zu meiner Wahl beitrug.

KNA:
Rückt durch Ihr Amt die Ökumene innerhalb der orthodoxen Kirche stärker in den Blickpunkt?

Miron:
Ich glaube, es findet eine Bewegung in beide Richtungen statt. Ebenso wie es in der ökumenischen Landschaft auffällt, wenn da auf einmal der bärtige Mann mit dem Ofenrohrhut vorne steht, ist es auch in meiner eigenen Kirche nicht unbemerkt geblieben, dass das Miteinander unserer Kirchen auch eine personelle Konsequenz gefunden hat, indem der Ökumenereferent der Griechisch-Orthodoxen Metropolie, der seit zehn Jahren auch innerhalb der Orthodoxen Bischofskonferenz (OBKD) der Ansprechpartner für innerchristliche Zusammenarbeit ist, nun auch Verantwortung über den eigenen Gartenzaun hinaus übernommen hat. Deshalb gilt beides: Die „exotische“ Ostkirche gehört auf einmal – entschuldigen Sie die Anspielung! – zu Deutschland, und andererseits ist die Ökumene Teil unseres kirchlichen Alltags, sogar für jene in meiner Kirche, die noch nicht lange in Deutschland sind und dies erst neu erlernen und erleben müssen.


KNA:
In welcher Weise wollen und können Sie als Vorsitzender besondere Akzente setzen?

Miron:
„Unverhofft kommt oft!“ lautet ein erstaunlich aktuelles deutsches Sprichwort. Als ich vor genau einem Jahr zum Vorsitzenden gewählt wurde, konnte man sich eine Situation, wie wir sie heute erleben, gar nicht vorstellen, nämlich in einer Situation zu leben, in der deutschlandweit alle Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen abgesagt sind. Ich bin deshalb vorsichtig geworden mit vollmundigen programmatischen Absichtserklärungen. Fest steht aber, dass wir jetzt in der Vorbereitung des „Jahres der Ökumene 2021“ stehen, das von der Bundes-ACK, aber auch von vielen regionalen Arbeitsgemeinschaften getragen wird.

KNA:
Die ACK hat dieses „Jahr der Ökumene“ mit Blick auf den Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt und die Vollversammlung des Weltkirchenrats in Karlsruhe ausgerufen. Welchen Beitrag kann die ACK dazu leisten, dass dieses Motto ausgefüllt wird?

Miron:
Die erste Lektion, die wir gerade (mal wieder) neu lernen müssen, ist natürlich, dass Ökumene mehr ist als eine bilaterale Veranstaltung zweier Kirchen. Bei einer Vorbereitungssitzung für den Ökumenischen Kirchentag, bei dem die ACK übrigens mit drei Personen im Gemeinsamen Präsidium vertreten ist, habe ich, als zum wiederholten Mal „von den beiden Kirchen Deutschlands“ die Rede war, scherzhaft gesagt, dass ab sofort bei jedem ökumenischen Fauxpas dieser Art eine Spende in die Kaffeekasse fällig würde. Wenn diese Spardose am Ende des Jahres 2021 nicht überquillt, hat sich das „Jahr der Ökumene“ doch schon gelohnt … Nein, ganz im Ernst: Sowohl der 3. Ökumenische Kirchentag in Frankfurt im Mai 2021 als auch die Vollversammlung des Weltkirchenrats in Karlsruhe sind von der Sache her multilaterale ökumenische Veranstaltungen. Als ACK möchten wir mit dem
Jahr einen großen Bogen zwischen beiden Ereignissen schlagen. In beide Vorbereitungen ist die ACK direkt involviert und wir können auch hier deutlich machen, wie vielfältig die ökumenische Realität in Deutschland ist. Zwischen Frankfurt und Karlsruhe planen wir aktuell einen digitalen Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens per App. Da versuchen wir, die klassischen Themen der Ökumene und des Konziliaren Prozesses auf ungewohnte und digitale Weise zu vermitteln. Wie wichtig die digitale Vernetzung ist, sehen wir ja gerade in Zeiten der Corona-Krise. Im Jahr der Ökumene versuchen wir als ACK aber auch, unsere üblichen jährlich stattfindenden Projekte wie die Gebetswoche für die Einheit der Christen und den ökumenischen Tag der Schöpfung ein wenig zu verändern. Im zentralen Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen in Hamburg werden wir das Jahr der Ökumene 2021 feierlich eröffnen. Und kurz vor der Vollversammlung des ÖRK nimmt die ACK den davon ausgehenden internationalen Impuls auch für ihren ökumenischen Tag der Schöpfung auf und bereitet ihn erstmals gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) und dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) vor, die zentrale Feier wird am Dreiländereck am Bodensee geplant. Weiterhin werden wir auch 2021 zum fünften Mal unseren Ökumenepreis verleihen, auch hier mit einer Besonderheit: Erstmals zeichnen wir ein besonders innovatives Projekt der Ökumene mit dem Innovationspreis aus. Dies ist erst ein kleiner Überblick über das geplante „Jahr der Ökumene 2021“; ich freue mich darauf, weil es verdeutlichen wird, wie lebendig die Ökumene in Deutschland ist.

KNA:
Wie wirkt sich die derzeitige vom Coronavirus verursachte Krise auf die Arbeit der ACK aus?

Miron:
In meiner Eigenschaft als Beobachter der OBKD beim Synodalen Weg habe ich schon bei dessen erster Vollversammlung eine bemerkenswerte ökumenische Erfahrung gemacht: Erstaunlicherweise ist es nicht nur eine Kirche, die derzeit eine Krise durchmacht, sondern wir alle sind betroffen. Da gibt es gar keine konfessionellen Unterschiede, ungeachtet der Eigenheiten einer jeden Kirche. Gleiches stelle ich jetzt anlässlich der Pandemie fest. Es entsteht, wenn wir aufmerksam und wachsam sind, nämlich ein Gefühl der ökumenischen Zusammengehörigkeit, das die Erkenntnis wachsen lässt, wie sehr wir als Kirchen zusammengehören und wie viel wir voneinander lernen können. Vermutlich werden wir als ACK, wenn erstmal die derzeitigen Herausforderungen des Homeoffice und der Videokonferenzen oder Telefonsitzungen geschultert sind, dieses gegenseitige Lernen aus der Krise demnächst verstärkt auf unsere Tagesordnung setzen. Was mich selbst betrifft, habe ich für meine Kirchengemeinde, in der ich als Pfarrer tätig bin, schon ökumenisches Lernen praktiziert. Auch wenn das orthodoxe Osterfest in diesem Jahr eine Woche später als am westlichen Ostertermin gefeiert wird, ist ja noch nicht abzusehen, ob wir reguläre Auferstehungsgottesdienste feiern können. Ich habe deshalb in Anlehnung an das „Ökumenische Hausgebet im Advent“ ein Gebet- und Liedblatt entwickelt, das „Orthodoxe Ostern zuhause“ heißt und ein liturgisches Trostpflaster für die Daheimgebliebenen darstellt. Ökumenisch lernen – auch und gerade in Zeiten der Krise!

Copyright: KNA-ÖKI 14 (31. März 2020), S.3-5