Kirchen beförderten religiösen Nationalismus

Professor Martin Greschat beleuchtete die Rolle der Kirchen im Ersten Weltkrieg.

(26.03.2014) Durch einen religiös überhöhten Nationalismus hätten die Kirchen im Ersten Weltkrieg das Kriegsgeschehen angeheizt und die Substanz des Christlichen preisgegeben. Dies sagte Professor Martin Greschat, ehemaliger Ordinarius für Kirchengeschichte an der Universität Gießen, vor der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland. 

Greschat beleuchtete die Rolle der Kirchen in den europäischen Ländern. Auch wenn es an kritischen Stimmen nicht gefehlt habe, „nahezu überall wurde das Christentum instrumentalisiert  und Gott für die Politik des eigenen Landes in Anspruch genommen“, sagte Greschat. Angefangen bei den Exzessen deutscher Soldaten in Belgien und Nordfrankreich und den sich steigernden Brutalitäten und den Massakern an den Fronten habe jeder Tag des Krieges belegt, „wie wenig das Leben eines Menschen zählte und wie wenig das Christentum und die Kirchen dagegengehalten haben“. An Beispielen machte Greschat deutlich, wie die Kirchen den Krieg ideologisch unterstützten und zahllose junge Männer mit Parolen wie „Gott braucht dich!“ in den Krieg getrieben hatten. Dabei hätten die Nationen sich gegenseitig die Schuld zugewiesen und sich selbst im Recht gesehen. „Das Kriegsgeschehen wurde theologisch gedeutet, man wusste Gott auf seiner Seite“, umriss Greschat die damalige Stimmung.

„Der Erste Weltkrieg ist keine Geschichte, er ist lebendige Gegenwart“, beschrieb Pfarrer Guy Liagre, Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen, wie in Belgien und anderen europäischen Ländern der Schrecken des Ersten Weltkriegs gedacht wird. An den großen Denkmälern werde täglich der zahllosen Toten gedacht. Liagre stellte die zahlreichen Initiativen vor, die in europäischen Ländern zum Gedenken des Ersten Weltkriegs gestartet wurden.

Die Delegierten der ACK verständigten sich darauf, des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs besonders zu gedenken. Die Delegierten riefen dazu auf, die ehemals kriegführenden Nationen im Gedenken friedlich zusammenzuschließen und dadurch den Frieden zu befördern. Insbesondere soll der Genozid an den Armeniern im Jahr 1915 besonders berücksichtigt und eine Stellungnahme der ACK dazu veröffentlicht werden.