Konferenz Europäischer Kirchen ist eine Chance für den Dialog auf Augenhöhe

Tony Peck, Generalsekretär der Europäisch-Baptistischen Föderation, Foto: BEFG

Tony Peck, Generalsekretär der Europäisch-Baptistischen Föderation, Foto: BEFG

(26.09.2018) Im Juni 2018 wurde im Rahmen der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) auch die Europäisch-Baptistische Föderation (EBF), ein Zusammenschluss verschiedener Baptistenbünde in Europa und dem Nahen Osten, als Mitglied der KEK aufgenommen. Im Gespräch erläutert Tony Peck (TP), Generalsekretär der EBF, warum die Baptisten diese Schritt gemacht haben und was dies für das ökumenische Engagement einer Freikirche bedeuten kann. Mit ihm sprach Bernd Densky (BD), Referent für die Freikirchen in der Ökumenischen Centrale.

BD: Die EBF wurde auf der Vollversammlung der Konferenz europäischer Kirchen (KEK) im Juni 2018 wieder als Mitglied aufgenommen? Warum ist die Mitgliedschaft in der der KEK für die EBF wichtig?

TP: Baptisten sind in jedem Land der Europäisch-Baptistischen Föderation (EBF) eine Minderheit. Angesichts der vielen Herausforderungen, denen wir uns heute in Europa gegenübersehen, nicht zuletzt dem Säkularismus, glaube ich, dass wir mit unseren Brüdern und Schwestern in Christus anderer Traditionen zusammenarbeiten müssen, wo immer es möglich ist. Und dann sollten wir demütig und aufrichtig von den Bereichen sprechen, wo wir Zusammenarbeit schwierig finden.

In der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) haben Baptisten von Anfang an mitgearbeitet; zwei der drei ersten KEK-Generalsekretäre waren Baptisten. Und schon immer sind etwa zehn Mitgliedsbünde der EBF selbst Mitglied der KEK gewesen. 1999 dann wurden die Baptisten Assoziertes Mitglied der KEK, bis 2013 die EBF die Vollmitgliedschaft beantragte. Nach einigen interessanten Diskussionen darüber, inwiefern die EBF als „Kirche“ angesehen werden konnte, wurde dem Antrag stattgegeben. Das offizielle Begrüßung folgte dann noch einige Jahre später. Ich würde sagen, dass die Mitgliedschaft in der KEK für uns im Bereich der Menschenrechte und der Religionsfreiheit am wichtigsten ist. Und auch in den regulären Zusammenkünften der KEK mit den führenden Persönlichkeiten der EU können wir auf eine christliche Perspektive für das Leben in der EU hinweisen. Das könnte die EBF nicht alleine leisten. In dieser Hinsicht sind wir gemeinsam stärker.

BD: Manche Baptisten in Osteuropa leiden unter der Dominanz einer quasi orthodoxen Staatskirche. In Serbien z.B. sind die Baptisten im Gegensatz zu den viel kleineren Methodisten rechtlich nicht anerkannt. Welche Möglichkeiten gibt es die Fragen, die die „Religions- und Gewissensfreiheit“ berühren auf der Ebene der KEK anzusprechen?

TP:Ich hoffe, dass ich in den nächsten Jahren dieses Thema noch mehr zur Sprache bringen kann. Die KEK will ein Forum sein, um den Dialog zwischen Mehrheits- und Minderheitenkirchen zu fördern, und zwar in dem Sinn, dass auch die Minderheit in den Genuss der Religionsfreiheit kommen. In der Praxis jedoch hat das im Hinblick auf die orthodoxe Kirche nicht immer gut geklappt. In manchen Regionen diskriminiert die Regierung, die sich auf die orthodoxe Staatskirche stützt, Baptisten, und manchmal werden sie sogar verfolgt. Die KEK würde dem Dialog zwischen Freikirchen und der orthodoxen Staatskirche gern höhere Priorität einräumen, doch von der orthodoxen Seite her wird sich das weiterhin schwierig gestalten. Der wichtigste Faktor ist vielleicht, dass wir wirklich verstehen, dass wir alle zur KEK gehören und diese Situation in dem Sinn nutzen, um Verständnis füreinander und Vertrauen aufzubauen, damit wir offen und ehrlich über die Bereiche sprechen können, in denen wir miteinander Schwierigkeiten haben. Ich freue mich darüber, dass wir im Hinblick auf einen unserer Mitgliedsbünde in Serbien, den du in deiner Frage erwähnt hast, sehr viel Unterstützung von der KEK erfahren.

BD: In der EBF gibt es Baptistenbünde, die sehr aktiv in der Ökumene mitarbeiten und andere, die sich von der Ökumene distanzieren? Welche Gründe gibt es aus deiner Sicht für ein starkes baptistisches Engagement im Rahmen etwa der KEK? Welche Gründe halten Baptistenbünde davon ab, sich zu engagieren?

TP: Baptisten definieren ihre Identität durch einen biblischen Glauben, eine Gemeinschaft der Gläubigen, die nicht der staatlichen Kontrolle untersteht, die Verpflichtung zu Mission und Evangelisation und Religionsfreiheit für alle. Manche Baptisten haben das Gefühl, dass sie diese und noch weitere baptistische Werte durch die Ökumene, sei es nun auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene, einem Kompromiss opfern müssten. Und es stimmt, dass Baptisten manchmal in der Ökumene nicht mitarbeiten können, wo ein wichtiges Prinzip auf dem Spiel steht, zum Beispiel bei der (für uns) unglücklichen Betonung der „gemeinsamen Taufe“ als Schlüsselfaktor für die Einheit der Christen, die letztlich dazu geführt hat, dass Baptisten ausgeschlossen werden. Manche Baptisten haben auch ein Problem damit, dass manche Diskussionen und Entscheidungen für sie zu politisch und von den Staatskirchen beherrscht werden, seien sie nun orthodox oder protestantisch. Trotzdem haben wir gezeigt, etwa auf der letzten KEK-Vollversammlung in Novi Sad, dass Baptisten einen wertvollen Beitrag leisten können, wenn sie von ihrer besonderen Identität sprechen, der das Leben der gesamten Kirchen bereichen kann.

BD: Welche Themen und Schwerpunkte kann die EBF und können und sollten die Baptisten in die Konferenz europäischer Kirchen einbringen?

TP: Wir betonen Mission und die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat. Das ist ein überaus nötiges Korrektiv, wenn es heute die Tendenz gibt, Mission hauptsächlich vom gesellschaftlich-politischen Standpunkt aus zu betrachten. Doch unser vielleicht wichtigster Beitrag entspringt unser historischen baptistischen Verpflichtung zur Religionsfreiheit für alle, alle Menschen und alle Glaubensrichtungen. Das ist im heutigen Europa sehr wichtig. Durch meine Mitarbeit in der KEK war ich manchmal in der Lage, das Bedürfnis nach einem „Freiraum“ zu anzusprechen, in jedem Land und in ganz Europa, wo wir zusammenkommen können in der gemeinsamen Überzeugung, dass wir für Religionsfreiheit eintreten wollen, und zwar im Rahmen unseres Engagement für die Menschenrechte insgesamt. Wenn wir unsere baptistischen Überzeugungen formulieren, demütig und so, dass damit deutlich wird, dass es uns allen guttut, dann – so meine Erfahrung – hört man uns interessiert und respektvoll zu. Ich muss allerdings auch sagen, dass es für Minderheitenkirchen innerhalb der KEK, die Seite an Seite mit den großen Staatskirchen zusammenarbeiten, schwierig war und ist, gehört und ernst genommen zu werden.

BD: Die offizielle Ökumene scheint manchen viel zu kompliziert. Warum muss man jahrelang Lehrgespräche führen? Reicht es nicht aus, vor Ort gute ökumenische Beziehungen zu gestalten und auf persönlicher Ebene einen respektvollen und vertrauten Umgang zu pflegen? Welche Gründe gibt es für diese Haltung? Was spricht dagegen?

TP: Meiner Meinung nach ist das kein „entweder oder“, sondern ein „und auch“. Baptisten betonen den Wert der an einem Ort versammelten Gläubigen, die nach dem Willen Gottes fragen. Das ist für sie die wichtigste Ausdrucksform von Kirche, und deshalb werden sie auch immer auf der lokalen Ebene beginnen. Gute Beziehungen, vor allen Dingen zwischen den Leitern von Gemeinden verschiedener christlicher Traditionen, sind lebenswichtig, wenn man gemeinsam Zeugnis ablegen will. Ich habe erlebt, dass auch Baptisten, die sich nicht auf eine offizielle ökumenische Zusammenarbeit einlassen möchten, trotzdem solche engen Freundschaften pflegen und mit anderen zusammenarbeiten.

Trotzdem sind offizielle Lehrgespräche nötig. An einigen davon habe ich selbst teilgenommen. Hier will ich vor allem die Gespräche zwischen dem Baptistischen Weltbund und der Römisch-Katholischen Kirche zwischen 206 und 2010 erwähnen. Solche theologischen Gespräche können dazu beitragen, Missverständnisse zu klären und falsche Vorstellungen, die ich von der Position der anderen Seite habe, zu korrigieren. Außerdem lassen sie mich als Baptisten klarer erkennen, was ich glaube und warum ich das glaube. Gespräche über die Taufe sind für Baptisten außerordentlich wichtig und können man manchmal neue Möglichkeiten auf lokaler Ebene eröffnen. Ein Beispiel dafür wäre der Dialog zwischen den Baptisten und Lutheranern in Bayern über die Taufe (BALUBAG). Zwar ist es dadurch noch nicht zu einem Durchbruch in dem Sinn gekommen, dass man die Position des anderen ganz und gar akzeptiert, doch dadurch wird angedeutet, in welche Richtung es weitergehen könnte.

BD: Bei der Unterschiedlichkeit der europäischen Baptistenbünde ist ja auch die EBF so etwas, wie eine „Ökumene im Kleinen“. Wo gelingt die Zusammenarbeit in der EBF, wo liegen die Schwierigkeiten und Herausforderungen?

TP: Stimmt, die baptistische Familie in Europa und im Nahen Osten ist sehr bunt. Einheit entsteht dadurch, dass wir Christus gemeinsam als unsern Herrn bekennen, und durch wesentliche Aspekte unserer baptistischen Identität – nicht so sehr dadurch, dass wir uns in allen einzelnen Lehrfragen einig sind. Als EBF haben wir uns den Leitfaden zu eigen gemacht,der 2005 vom baptistischen Weltbund veröffentlicht wurde – das Statement of Identity.

Als EBF sagen wir, dass wir nicht alles zusammen tun, aber als Bund (und das ist ein gutes baptistisches Konzept!) das zusammen tun können, wo wir uns einig sind, in der Mission, im Eintreten für die Menschenrechte und Religionsfreiheit, in der theologischen Ausbildung, in Katastrophenhilfe und nicht zuletzt, in dem füreinander beten und uns gegenseitig ganz praktisch helfen. In anderen Fragen wie zum Beispiel der Frauenordination, erkennen wir an, dass wir unterschiedliche Auffassungen haben.

Baptistische Einheit ist etwas Zerbrechliches und kann bedroht sein, wenn wir beispielsweise kulturelle und politische Unterschied zu einem theologischen Prinzip erheben oder vorschnell und unkritisch bestimme ideologische Zugänge zum Glauben von außerhalb unserer Region importieren. Trotzdem: Bei der EBF-Ratstagung dabeizusein bedeutet, tiefe Einheit in Christus und miteinander zu spüren – und das ist wirklich Gottes Geschenk an uns.

BD: Was wünscht und hoffst du für die europäischen Baptisten im Blick auf die Ökumene? Was wünscht du und erhoffst Du Dir für die Gemeinschaft der Kirchen in Ökumene in Europa?

TP: In den letzten zwanzig Jahren hat sich der Schwerpunkt in der Ökumene verlagert: von den Möglichkeiten, die eine „organische Einheit“ eröffnet – die meisten Baptisten waren davon ohnehin nicht besonders begeistert –, über ein Modell der „versöhnten Verschiedenheit“ bis hin zu dem neueren Konzept, das man manchmal als „empfangende Ökumene“ bezeichnet. Das bedeutet ganz einfach Folgendes: Statt danach zu fragen, was andere geistliche Traditionen von uns lernen sollen, fragen wir, was wir von anderen lernen sollten, was wir annehmen und empfangen können, weil es von Gott ist. Baptisten sind manchmal überrascht, wenn sie diese Frage stellen und dann einem Bruder, einer Schwester aus einer anderen Tradition begegnen und entdecken, dass auch in ihnen der heilige Geist wirkt. Oder sie blicken auf die Kirche einer anderen geistlichen Tradition und entdecken dort Kennzeichen der wahren Gemeinde Jesu Christi. Darüber hinaus hoffe ich, dass die Baptisten weiterhin die Chancen einer „freien Kirche in einem freien Staat“ in einem säkularen Zeitalter und vor allem unsere missionarische Berufung als Jünger Jesu bezeugen.

Meine Hoffnung für die Ökumene in Europa: dass wir der allgegenwärtigen Versuchung widerstehen, zu einem unter vielen anderen gesellschaftlich-politischen Foren zu werden, die auf der Suche nach einer bestimmten Theologie ist. Und dass wir stattdessen eine tiefe theologische und geistliche Vision entwickeln, dass Gott in Menschen, in der Gemeinde und in der Gesellschaft wirkt. Vor allem aber hoffe ich, dass die ökumenische Gemeinschaft niemals ihrer Berufung untreu wird, wahrhaft Zeugen des Reichs Gottes und des Evangeliums von Jesus Christus zu sein, in Wort und Tat.

Zur Zeit sehen wir Zeichen dafür, die uns Hoffnung schöpfen lassen, so wie es das Motto der KEK-Vollversammlung 2018 in Novi Sad sagt: „Ihr werdet meine Zeugen sein.“

BD: Danke für das Gespräch!