„Es ist nicht so, wie ihr es aus euren westlichen Medien wahrnehmt: Es gibt keine direkte Verfolgung von Christen!“, zitierte der Delegierte der Syrisch-Orthodoxen Kirche, Daniyel Brahm, Bischof Joseph Bali, enger Vertrauter und Assistent des Syrisch-Orthodoxen Patriarchen Mor Ignatius Aphrem II., zu Beginn seines bewegenden Berichtes über die Situation der Menschen in Syrien. „Vielmehr scheint, dass unter dem neuen Regime einige nicht-sunnitische Muslime zu Bürgern zweiter Klasse degradiert worden seien“, setzte Brahm seinen Bericht fort. „Bischof Joseph Bali sagte mir, dass viele Gläubige aufgrund der schwierigen Situation verzweifelt sind und ein Klima der Angst, Unsicherheit und Unterdrückung für Christen bestünde“, weiß Brahm zu berichten und sieht die Zusammenarbeit der deutschen Bundesregierung mit dem neuen Machthaber kritisch. Erst hätten sich die Gefängnisse nach dem Machtwechsel geleert – aber nun werden sie wieder erneut gefüllt – dieses Mal mit Menschen alawitischen Glaubens. „Was heute die Alawiten betrifft, könnte morgen die Christen betreffen“, gibt Brahm das Gefühl der Christen in Syrien wieder und fasst es zusammen: „Die Angst ist allgegenwärtig.“
Aufruf drei syrischer Patriarchen zu Versöhnung
Am 8. März veröffentlichte Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. zusammen mit dem Patriarchen der melkitischen orthodoxen Kirche und dem Patriarchen der melkitischen Griechisch-katholischen Kirche eine gemeinsame Erklärung: „In den letzten Tagen kam es in Syrien zu einer gefährlichen Eskalation der Gewalt. Brutale Angriffe fordern unschuldige Menschenleben – auch Frauen und Kinder. Häuser werden geschändet, Eigentum geplündert, Menschen erniedrigt. All dies verdeutlicht das unsägliche Leid, das unser Volk ertragen muss. Die christlichen Kirchen verurteilen nachdrücklich jede Handlung, die den zivilen Frieden bedroht, sie verurteilen die Massaker an Unschuldigen und fordern ein sofortiges Ende dieser schrecklichen Verbrechen, die allen moralischen und menschlichen Werten widersprechen. Wir rufen zur Versöhnung auf und fordern die Schaffung eines Staates, der die Würde und die Rechte aller Bürger respektiert und frei von Rache und Diskriminierung ist. Wir bekräftigen die Einheit des syrischen Territoriums und weisen alle Versuche, es zu spalten, entschieden zurück. Möge der Allmächtige Syrien und sein Volk beschützen und möge der Friede Gottes unser Land durchdringen.“
Klima der Angst geschaffen
Daniyel Brahm fasst die Situation in Syrien so zusammen: „Bislang hat die neue Regierung nur sehr wenig zur Verbesserung der Lage in Syrien beigetragen. Im Gegenteil: Es wurde ein Klima der Angst, Unsicherheit und Unterdrückung für Christen und andere Minderheiten geschaffen.“ Mit einem eindringlichen Appell wandte er sich an die Delegierten aus den 25 Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland:
„Wir, die christlichen Gemeinschaften in der Diaspora, dürfen nicht schweigen. Unsere Brüder und Schwestern in Syrien brauchen unsere Hilfe – geistlich, politisch und humanitär. Wir müssen ihren Stimmen Gehör verschaffen, damit sie nicht ungehört bleiben. Die Weltgemeinschaft, insbesondere die christlichen Nationen, sind aufgerufen, für die Rechte der unterdrückten Gläubigen einzutreten.
Weltgemeinschaft ist aufgerufen für Unterdrückte einzutreten
Lassen Sie uns gemeinsam beten und handeln, damit der Herr den verfolgten Menschen in Syrien Kraft und Hoffnung schenkt. Möge Gott unser Handeln segnen und seinen Frieden auf die verwundeten Christen in Syrien ausgießen.“
Der christliche Glaube in Syrien hat eine sehr lange Tradition und ist bereits seit der Entstehungszeit des Christentums im vorderasiatischen Land vertreten. Nach Angaben des katholischen Hilfswerks Aid to the Church (ACN) ist die Zahl der in Syrien lebenden Christen von 2,1 Millionen (10% der Bevölkerung) im Jahr 2011 auf rund 300.000 (weniger als 2%) im Jahr 2022 gesunken.