Heillos gespalten? Segensreich erneuert? Tagung zu 500 Jahre Reformation

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann bei seinem Schlusstatement, Foto: ACK

Bischof Karl-Heinz Wiesemann beim Schlusswort der Tagung, im Hintergrund Uwe Swarat, Vorsitzender des DÖSTA, Foto: ACK

(25.04.2015) Die Reformation betrifft alle Konfessionen und hatte Auswirkungen auf sie. Daher sei Reformation nicht nur eine rein evangelische Perspektive der Kirche, sondern der vielfältige Zugang bereichere das Miteinander. Das verdeutlichte eine Tagung des Deutschen Ökumenischen Studienausschusses (DÖSTA) der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland vom 23.-25. April 2015 in der Katholischen Akademie München. Unter dem Motto „Heillos gespalten? Segensreich erneuert?“ beleuchteten evangelische, katholische, freikirchliche und orthodoxe Theologen vor rund 180 Teilnehmern die Reformation aus Sicht der verschiedenen Konfessionen.

Der multilaterale Blick auf die Reformation sei ein wichtiger Beitrag des DÖSTA zum Reformationsgedenken im Jahr 2017, unterstrich der Vorsitzende der ACK Deutschland, Bischof Karl-Heinz Wiesemann (Speyer). Die gute Resonanz auf die Tagung zeige, wie wichtig es sei, die Gläubigen aus den unterschiedlichen Konfessionen ins Gespräch über das Geschehen der Reformation zu bringen. „Dies eröffnet auch gemeinsame Perspektiven für die Gedenkfeiern im Jahr 2017“, bekräftigte Bischof Wiesemann. Der Blick aus den anderen Konfessionen auf die Reformation sei für alle bereichernd und zeige das „lebendige Wirken des Heiligen Geistes“, sagte der Bischof.

Am Ziel der sichtbaren Einheit festhalten

Das Ziel der Ökumene bleibe die sichtbare Einheit der Kirche, unterstrichen die Bischöfe Gerhard Feige (Magdeburg), Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, und Karl-Hinrich Manzke (Bückeburg), Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland. Daran halte auch die 2001 von den europäischen Kirchen unterschriebene „Charta Oecumenica“ fest. Die Bischöfe zeigten die „sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit“ als ein Modell auf, wie dieses Ziel verwirklicht werden könnte. Die 1973 von den evangelischen Kirchen in Europa unterzeichnete Leuenberger Konkordie, in der sich evangelische Kirchen aus reformierter und lutherischer Tradition gegenseitig Kirchengemeinschaft gewähren, reiche als Modell der Einheit zwar nicht aus, könne aber für den weiteren Weg Anstöße liefern, sagten die Bischöfe.

Gemeinsam das Reformationsgedenken begehen

Bereits früh habe sich auf internationaler Ebene das Bemühen gezeigt, das Gedenken an die Reformation gemeinsam zu begehen, berichtete Bischof Feige. Es sei eine große Chance, im Jahr 2017 das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus und die einende Grundlage der Bibel zu stärken und mehr ins Bewusstsein der Kirchen und der Gesellschaft zu rücken. Es sei unabdingbar, eine ökumenische Perspektive des Reformationsjubiläums 2017 einzunehmen, machten Referenten und Teilnehmer der Tagung deutlich. Der Begriff des „Christusfestes“ zeige auf, dass die Kirchen eine gemeinsame Quelle haben und diese auch gemeinsam gefeiert und bezeugt werden könne.

Reformation ist nicht nur in Wittenberg entstanden

Die Reformation sei kein punktuelles geschichtliches Ereignis, sondern ein geschichtlicher Prozess, der einen Zeitraum von rund 150 Jahren umfasst habe. Außerdem sei die Reformation nicht nur in Wittenberg entstanden, sondern habe viele Vorbilder und unterschiedliche Stränge gehabt. Daher könne man das Reformationsgedenken im Jahr 2017 auch nicht auf die Wittenberger Ereignisse beschränken, sondern es gehe alle Konfessionen an. Da die Reformation ein gesamtkirchliches Ereignis gewesen sei und ihre Wirkung sich tief auf die Kultur und Mentalität vieler Menschen erstrecke, könne die öffentliche Diskussion nicht nur von den beiden großen Kirchen geführt werden, sondern brauche die Stimme möglichst aller Konfessionen. 

Anliegen der Reformation in die heutige Sprache übersetzen

Alle Kirchen müssten neu die Lehre der „Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnade“ in der Gegenwart so verdeutlichen, dass sie eine aktuelle Lebensperspektive eröffne. Der katholische Lutherforscher Peter Neuner (München) und der katholische Neutestamentler Thomas Söding (Bochum) zeigten am Beispiel der 1999 verabschiedeten „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ der Lutherischen und der Römisch-katholischen Kirche, wie sehr die Themen der Reformation Anliegen des 16. Jahrhunderts aufgegriffen hätten und daher heute in die Sprache der Gegenwart übersetzt werden müssten. Bei anderen Begriffen der Reformation müsse man allerdings auch den historischen Kontext mitbedenken. Dies verdeutlichte die baptistische Kirchenhistorikerin Andrea Strübind (Osnabrück) am Beispiel der Freiheit. Sie kritisierte einen „Pathos der Freiheit“ im Zusammenhang mit dem Reformationsjubiläum. Denn auch die Geschichte der Reformation kenne Intoleranz und Unfreiheit, was sie am Umgang der Reformatoren mit den Täufern verdeutlichte. „Die Freiheitsgeschichte der Reformation kam nicht ohne ein Feindbild der Papstkirche aus“, unterstrich Strübind. Wer die Freiheit als Motiv der Reformation verwende, müsse sich dieser Sicht bewusst sein. Sie plädierte daher für eine „fruchtbare Entmythologisierung“ der Reformationsbewegung. Zumal der Begriff der Freiheit auch in anderen Konfessionen eine wesentliche Rolle einnehme, wie der Dogmatiker Burkhard Neumann (Paderborn) am Beispiel des Dokumentes über die Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanischen Konzils aufzeigte. 

Wissenschaftliche Theologie in kirchliche Praxis einbeziehen

In diesem Zusammenhang plädierten vor allem exegetische Theologen aus verschiedenen Konfessionen dafür, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Theologie mehr in den kirchenamtlichen Aussagen und Statements einzubeziehen. Eine gewisse „Folgenlosigkeit“ der Forschungsergebnisse der jüngeren Forschung zur Bibel beklagte der katholische Neutestamentler Gerd Häfner (München). Aus den theologischen Erkenntnissen müssten auch praktische Konsequenzen für die Kirche und das kirchliche Gemeindeleben gezogen werden, unterstrichen Peter Neuner und Thomas Söding.

Der DÖSTA hat die Aufgabe, die ökumenische Studienarbeit in der ACK beratend zu begleiten und sie in der theologischen Wissenschaft und an den theologischen Ausbildungsstätten zur Geltung zu bringen. Auf der Grundlage dieser Tagung will der DÖSTA ein „Wort der ACK zum Reformationsgedenken“ erarbeiten.

 

Hinweis:

Die einzelnen Beiträge der Tagung sollen in der Reihe „Quaestiones disputatae“ im Herder Verlag veröffentlicht werden.

Vortrag von Bischof Feige zum Dowload

Bericht in der Zeitschrift "zur debatte" der Katholischen Akademie Bayern