Das Thema „Christian Citizenship in Europe“ stand im Zentrum der Tagung: Christliche Staatsbürgerschaft muss als integratives und verantwortungsbewusstes Engagement in der Gesellschaft verstanden werden. Verwurzelt in den Werten des Evangeliums sind Christinnen und Christen aufgerufen, sich aktiv am öffentlichen Leben zu beteiligen und Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für das Wohlergehen anderer zu übernehmen. Im Mittelpunkt dieses Engagements, so betonten die Teilnehmenden, steht der Aufruf, die Menschenwürde zu wahren und die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaften zu stärken, insbesondere in Krisenzeiten.
Kein abstrakter Begriff…
Christliche Staatsbürgerschaft ist kein neutraler oder abstrakter Begriff, sondern wird von spezifischen geopolitischen Kontexten geprägt. Vertretende von Kirchen aus Armenien, Georgien, aber auch Estland und Irland stellten andere Kontexte von Konflikten oder Spannungen vor, in denen Kirchen vor der Herausforderung steht, zu Frieden, Versöhnung und Einheit beizutragen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wurde als dringliches Beispiel hervorgehoben, das die Vielfalt christlicher Reaktionen verdeutlicht: Einige bekräftigen demokratische Werte, andere kritisieren sie; einige setzen sich für einen gerechten Frieden ein, während andere sich auf das Konzept des gerechten Krieges berufen. In unserer Zeit der Polarisierung und des Wertewandels sind die Kirchen zu einem vertieften Prozess der theologischen und moralischen Unterscheidung aufgerufen. Sie müssen sich dem Missbrauch von Religion für politische Zwecke widersetzen und das Evangelium in Taten umsetzen, die Gerechtigkeit, Frieden und Menschenwürde fördern.
Heimat im Himmel
Das Treffen endete mit einer moderierten Diskussion über den weiteren Weg. Christen sind nicht nur Bürger oder Bürgerinnen eines Landes oder einer Nation, sie „haben auch ihre Heimat im Himmel“ (Philipper 3,20). Für den Gastgeber des Treffens, Emil Hilton Saggau, Generalsekretär des Rates der Kirchen in Dänemark, „können wir uns nicht nur auf den Staat/die Staaten verlassen und gehorsam sein, sondern müssen unsere Verpflichtungen auf einem Kontinent [Europa] im tiefgreifenden Wandel (wieder)entdecken“. Und das trotz der Spannung, die zwischen unseren beiden Städten, der irdischen und der himmlischen, besteht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Meinungen darüber, wie man sich engagieren soll, auseinandergehen, denn die Polarisierung innerhalb der Länder zieht sich auch durch die Kirchen und sogar durch jede einzelne Kirche. Ein Redner betonte nachdrücklich, dass die Kirchen der Welt ihre kirchliche Identität zeigen müssen, denn „wir sind keine Politiker“. Ist dies ein Aufruf, eine Gegenkultur zu sein, indem man mit (nicht immer populären) theologischen Begriffen wie Opfer, Vertrauen, Hoffnung (gegründet im Glauben) und Dienst arbeitet, der – erinnerte eine Teilnehmerin – „im Namen Christi immer Sinn macht“?
„Safe Spaces“ dringend nötig
Abschließend sei betont, dass die christliche Staatsbürgerschaft keinen Menschen guten Willens ausschließt und Debatten, den Austausch gegensätzlicher Argumente und vor allem das Zuhören ermöglicht. Die Kirchen sollten in der Lage sein, „diese sicheren Räume“ für ihre Leitenden, aber auch für ihre Basis, ihre Gläubigen, wiederherzustellen. Das ist eine Möglichkeit, das Gebot der Liebe Christi zu leben!
Das nächste „ENCC“ (European National Councils of Churches)-Treffen findet vom 21.-23. September 2026 auf Einladung der AGCK Schweiz in Bern statt.
Bericht: Anne Durrer (AGCK)
