Für ein gutes Miteinander der Religionen in Europa. Nationale Kirchenräte Europas trafen sich in Wien

Treffen der nationalen Kirchenräte Europas, Wien 2018

(05.10.2018) Die Generalsekretärinnen und Generalsekretäre der nationalen Kirchenräte Europas trafen sich vom 24. bis 27. September in Wien zu ihrem jährlichen Erfahrungsaustausch und zur Arbeit am Schwerpunktthema „Toleranz in den Beziehungen zwischen Juden, Christen und Muslimen“. Gastgeber war der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der das Treffen mit Unterstützung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) vorbereitete.

Am Beginn der Konferenz, die mit einem ökumenischen Gottesdienst eröffnet wurde, stand ein Blick auf das Gastgeberland Österreich. Michael Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich und ehemaliger Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, erinnerte an ökumenische Meilensteine, die das Verhältnis der Kirchen in Wien und darüber hinaus bis heute prägen, darunter die Gründung von Pro Oriente durch Franz Kardinal König, die Wiener Christologische Formel, die Etablierung einer gemeinsamen katholisch-evangelischen Kommission 1966 und nicht zuletzt die Gründung des ÖRKÖ im Jahr 1958. Ein Höhepunkt dessen Arbeit war die Erarbeitung eines Sozialwortes, das von allen 14 Mitgliedskirchen des ÖRKÖ 2003 unterzeichnet wurde.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben von Menschen, die verschiedenen Religionen angehören, ist das Recht auf Religionsfreiheit. Peter Krömer, Rechtsanwalt, Präsident der Evangelischen Synode A.B. und Mitglied der Arbeitsgruppe für Religionsfreiheit und Menschenrechte der KEK, informierte über grundlegende Aspekte dieses Menschenrechts. Das Recht auf Religionsfreiheit ist in Vertragswerken der Vereinten Nationen ebenso wie denen des Europarates und der Europäischen Union völkerrechtlich verankert. Krömer wies darauf hin, dass die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der EU Religionsfreiheit nicht nur im Sinne eines Individualrechts, sondern auch als kollektives Recht festschreiben. D.h. dass die einzelnen Gläubigen das Recht haben, sich zu Kirchen oder Religionsgemeinschaften zusammenzuschließen, die selbst wiederum Träger von Rechten – z.B. auf Eigentum wie kirchliche Gebäude – sind. Blickt man auf Diskussionen und Auseinandersetzungen über den Bau von Moscheen hierzulande und auf die Schwierigkeiten, vor denen die Kirchen in der Türkei (die Mitglied des Europarates ist) stehen, dann erkennt man, dass die Durchsetzung des Rechts auf individuelle und kollektive Religionsfreiheit auch heute nicht selbstverständlich ist. Für sie muss immer wieder gekämpft werden.

Ein besonders beeindruckendes Beispiel dafür, wie man in Österreich ein friedliches und tolerantes Miteinander der Religionen zu fördern versucht, ist die Kirchlich-Pädagogische Hochschule, deren Konzept von ihrem Vizerektor Andreas Weissenbäck präsentiert wurde. In Österreich haben alle Religionsgemeinschaften das Recht, Religionsunterricht an staatlichen Schulen zu erteilen, und 15 Religionen machen von diesem Recht Gebrauch. Die Kirchlich-Pädagogische Hochschule hat nun Kooperationsverträge mit Juden, Muslimen, Aleviten und Buddhisten abgeschlossen, um schon in der Ausbildung der Religionspädagoginnen und -pädagogen den Grundstein für gegenseitiges Verständnis und Toleranz zu legen.

Aus den Berichten der nationalen Kirchenräte bei dem Treffen in Wien ging hervor, dass sie vor vergleichbaren Herausforderungen stehen, z.B. wenn es um das Thema Migration und Flüchtlinge geht. Es wurde deutlich, dass die nationalen Kirchenräte sich alle darum bemühen, sich im Umgang mit Migranten an den Grundoptionen des christlichen Glaubens zu orientieren. Wie viel Gehör sie damit in ihrem eigenen Land finden, ist durchaus unterschiedlich – ein Kirchenrat, der wie in Polen 1,6% der Bevölkerung repräsentiert, steht hier vor größeren Problemen als einer, der (wie in Wales oder Estland) eine Mehrheit der Bevölkerung vertritt und direkter Ansprechpartner für die Regierung des Landes ist.

Versöhnung ist auch zwischen den Kirchen in Europa immer noch ein wichtiges Thema. Auch die Vollversammlung der KEK diente diesem Anliegen, indem sie schon mit ihrem Motto „Ihr werdet meine Zeugen sein“ und ihrem Logo, dessen Motiv eine Brücke ist, an den gemeinsamen Auftrag der Kirchen erinnerte. Der Generalsekretär der KEK, Heikki Huttunen berichtete über die Vollversammlung, die von den nationalen Kirchenräten, die einen Vertreter entsandt hatten, überwiegend positiv beurteilt wurde. Nach der Krise der KEK, die Strukturveränderungen und eine neue Verfassung notwendig gemacht hatte, werteten die Beteiligten es als positives Zeichen, dass die Vollversammlung überhaupt stattfinden konnte, und dies in einer zuversichtlichen und zukunftsorientierten Stimmung. Die Botschaft der Vollversammlung in Novi Sad ist ein Plädoyer für einen humanen Umgang mit Migranten und für ein toleranten Miteinander von Angehörigen der verschiedenen Religionen in Europa, das als gemeinsames Zeugnis der Kirchen ganz Europas in der gegenwärtigen Situation durchaus bemerkenswert ist.

Im Vorfeld der Vollversammlung in Novi Sad hatte die KEK eine Umfrage über die Umsetzung der Charta Oecumenica in den Ländern Europas gemacht. Die Ergebnisse wurden beim Treffen der nationalen Kirchenräte in Wien präsentiert. Es gingen Antworten von Mitgliedskirchen der KEK aus neun Ländern Europas und von fünf nationalen Kirchenräten ein. Nur ein einziges osteuropäisches Land, Ungarn, beteiligte sich an der Umfrage. Angesichts der Tatsache, dass die Charta selbst sich auf den „europäischen Kontinent zwischen Atlantik und Ural, zwischen Nordkap und Mittelmeer“ (Präambel) bezieht, kann das Umfrageergebnis also nicht als repräsentativ angesehen werden – es sei denn, man wollte fehlende Antworten auch als einen Kommentar zur Charta Oecumenica betrachten. Die Umsetzung der Charta Oecumenica – auf die sich die KEK und der Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) mit der Unterschrift ihrer Präsidenten verpflichtet haben – bleibt somit auch in Zukunft eine gesamteuropäische Aufgabe.

Im kommenden Jahr wird das Treffen der Generalsekretärinnen und Generalsekretäre der nationalen Kirchenräte Europas in Italien stattfinden.