"Auch ein Friedensprojekt" - Scheidende ACK-Geschäftsführerin Dieckmann zieht Bilanz

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Dr. theol. Elisabeth Dieckmann, Geschäftsführerin und römisch-katholische Referentin der ACK 2009-2019. Foto: ACK/Riffert.

(30.04.2019) Nach zehn Jahren beendet die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Dr. Elisabeth Dieckmann, Ende diese Monats ihre Tätigkeit in der Ökumenischen Centrale in Frankfurt. Im Interview von KNA-ÖKI äußert sich die römisch-katholische Referentin zur Lage der ACK und zur ökumenischen Situation in Deutschland. Das Interview führte Norbert Zonker.

Als Sie vor zehn Jahren die Geschäftsführung der ACK übernahmen, war die Stimmung schlecht, es gab eine Verunsicherung nach Sparbeschlüssen der großen Kirchen. Wie ist die Lage in der Ökumenischen Centrale heute?

In der Ökumenischen Centrale und auch in der ACK hat sich die Lage in den letzten zehn Jahren sehr verbessert. Kurz nach der Jahrtausendwende haben die beiden großen Kirchen ihre Zuschüsse an die ACK so stark gekürzt, dass es notwendig wurde, Personal abzubauen. Auch gab es zu der Zeit Verunsicherung über den Kurs der ACK. Der damalige Vorsitzende, Landesbischof Friedrich Weber, hat dann einen Prozess der Verständigung über Aufgabe und Mandat der ACK angestoßen. Und er hat bei den beiden großen Mitgliedskirchen dafür geworben, die Mittel für die ACK wieder zu erhöhen. Er hatte damit Erfolg, so dass wir 2010 eine halbe Stelle für Öffentlichkeitsarbeit schaffen konnten. Der Verständigungsprozess über den Kurs der ACK stand 2009, als ich Geschäftsführerin wurde, kurz vor dem Abschluss. Die Antworten der Mitgliedskirchen auf die Frage nach ihren Erwartungen an die ACK waren auszuwerten. Im Herbst 2009 hat die Mitgliederversammlung einen Beschluss über Aufgabe und Mandat der ACK gefasst, der die Arbeit der ACK noch immer strukturiert. Das Team der ÖC arbeitet auf dieser Basis sehr gut zusammen, und ich bin zuversichtlich, dass das auch nach den personellen Wechseln, die jetzt ins Haus stehen, so bleiben wird.

Wie haben sich die ökumenischen Verhältnisse in den letzten zehn oder zwanzig Jahren verändert?

Ökumenische Zusammenarbeit ist mittlerweile so selbstverständlich geworden, dass wir manchmal Gefahr laufen, sie als gegeben hinzunehmen und allenfalls noch fehlende Fortschritte oder Stillstand zu beklagen. Wir sollten würdigen, was bis jetzt erreicht wurde. Dann werden wir auch den Mut für weitere Schritte auf dem Weg zur Einheit haben.

Verändert hat sich das gesellschaftliche Umfeld. Unsere Gesellschaft wird immer pluraler. Es gibt nicht nur verschiedene Kirchen, auch andere Religionen sind in Deutschland präsent. Und es gibt eine große Zahl von Menschen, die gar keine Beziehung zu Kirche oder Religion mehr haben und zum Teil die Sprache, die die Kirchen sprechen, nicht mehr verstehen. Die Kirchen in der ACK haben verstanden, dass sie durch diese Situation alle gleichermaßen herausgefordert sind. Zusammenarbeit und ein gemeinsames Zeugnis sind notwendiger denn je.

Schließlich wird auch die kirchliche Landschaft selbst immer pluraler. Auch bei uns wächst die Zahl neuer, unabhängiger Gemeinden, die nicht unmittelbar einen Zugang zu der klassischen ökumenischen Bewegung und ihren Strukturen – zu denen die ACK gehört – haben. Es ist noch nicht geklärt, was dies für die ökumenische Zusammenarbeit bedeutet. Das Nachdenken hierüber hat gerade erst begonnen. Die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen hat vor kurzem eine Tagung dazu in Brasilien veranstaltet. Meine Nachfolgerin Verena Hammes hat daran teilgenommen, weil die ACK natürlich die Impulse der Beratungen auf internationaler Ebene für ihre eigene Arbeit zu dem Thema aufgreifen möchte.

Ein wichtiges ökumenisches Ereignis in den vergangenen Jahren war das Reformationsgedenken. War die ACK mit dem Ablauf und den Ergebnissen zufrieden?

Kardinal Karl Lehmann hat schon im Jahr 2008 die Bereitschaft der katholischen Kirche geäußert, sich in die Vorbereitung des Jahres 2017 einzubringen. Es hat dann aber noch eine Zeit gebraucht, bis die Deutsche Bischofskonferenz und die EKD Wege gefunden haben, gemeinsame Aktivitäten mit Blick auf 2017 zu planen. Die ACK hat dies alles verfolgt, denn es gehört zu ihrem Programm, an dem Anteil zu nehmen, was die einzelnen Mitgliedskirchen bewegt. Und natürlich gibt es unter den Mitgliedskirchen der ACK mehrere, deren Entstehung unmittelbar oder mittelbar auf die Reformation zurückgeht. Die ACK hat deshalb 2012 ein eigenes Konzept zu 500 Jahre Reformation beschlossen, das mehrere Bausteine hatte: eine Veröffentlichung mit dem Titel „Die Bibel neu als Schatz entdecken“, ein Wort der ACK zu 2017 und die Vorbereitung der Texte für die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Für die ACK war es ein wichtiges ökumenisches Zeichen, dass in der Gebetswoche 2017 weltweit Texte verwendet wurden, die aus dem Ursprungsland der Reformation kamen. Und die ACK ist sehr dankbar dafür, dass es möglich war, das Reformationsgedenken in guter ökumenischer Gemeinschaft zu begehen. Sie hat das in einer Erklärung zu den Perspektiven nach 2017 auch öffentlich zum Ausdruck gebracht.

Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste Beitrag, den die ACK für die Ökumene leisten kann?

In Deutschland sind, wenn von Ökumene die Rede ist, oft nur die katholische und die evangelische Kirche im Blick. Das ist verständlich, wenn man sich die Mehrheitsverhältnisse in unserem Land ansieht. Aber es ist wichtig, auch den kleineren Kirchen Aufmerksamkeit zu schenken, denn sie bringen eigene Perspektiven ein, die das Miteinander bereichern können. Nicht umsonst ist öfter von einer „Ökumene der Gaben“ die Rede. Und noch ein zweiter Gesichtspunkt ist von Bedeutung: Das Verhältnis von Mehrheiten und Minderheiten zueinander bringt immer Herausforderungen mit sich, und es ist dann sehr hilfreich, eine Plattform wie die ACK zu haben, auf der sich kleine und große Kirchen auf Augenhöhe begegnen können. Insofern ist die ACK auch ein Friedensprojekt.

Ein Beispiel dafür, wie die ACK Anliegen der kleineren Kirchen vertritt, sind die Vorbereitungen auf das Gedenken an die Entstehung der Täuferbewegung im Zeitalter der Reformation. Mennonitische und baptistische Verbände haben den Verein „500 Jahre Täuferbewegung 2025 e.V.“ gegründet, der die Vorbereitungen koordiniert. Die ACK begleitet diesen Prozess und trägt mit dazu bei, die Thematik in die Öffentlichkeit zu bringen.

Wichtig ist auch, dass die Kirchen mit der ACK eine gemeinsame christliche Stimme haben. Im interreligiösen Projekt „Weißt du, wer ich bin?“ wird dies besonders deutlich. Das Projekt will Begegnung und Zusammenarbeit von Juden, Christen und Muslimen in Deutschland fördern, und die Kirchen arbeiten hier unter dem Dach der ACK gemeinsam mit. Das Projekt wird vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert, und in unseren Gesprächen mit dem Ministerium zeigt sich immer wieder, wie sehr man es dort schätzt, mit der ACK als gemeinsamer Vertretung der Kirchen zusammenarbeiten zu können.

Wird die ACK von den beiden großen Kirchen bei wichtigen Anlässen genügend wahrgenommen?

Man muss sich immer vor Augen halten, dass die römisch-katholische Kirche und die EKD Mitglieder der ACK sind, die ACK steht nicht als etwas Fremdes neben diesen beiden. Aber es ist nicht immer leicht, dem in der Praxis auch gerecht zu werden. Andererseits leisten die beiden großen Kirchen an vielen Stellen der ACK einen Dienst, auch wenn letztere nicht direkt einbezogen wird. Dies gilt u.a. für die Begleitung von Gesetzesvorhaben. Wenn die Bundesregierung z.B. plant, Sprachtests für Geistliche aus dem Ausland einzuführen, ohne die diese hier nicht arbeiten dürfen, dann betrifft das alle Kirchen, und es kommt allen zugute, wenn das Katholische und das Evangelische Büro in Berlin hier aktiv werden.

Seit 2010 wird der Tag der Schöpfung ökumenisch begangen. Hat dieser Tag inzwischen im ökumenischen Feiertagskalender ein Profil gewonnen?

Den ökumenischen Tag der Schöpfung gibt es in Deutschland erst seit zehn Jahren. So gesehen ist er ein noch sehr junger Feiertag. Er greift aber ein wichtiges Anliegen auf, das die gesamte Gesellschaft betrifft. Die regionalen ACKs fördern ihn auch sehr, und nach unseren Beobachtungen wird der ökumenische Tag der Schöpfung tatsächlich an vielen Orten in ganz Deutschland gefeiert. Dass dies noch ausbaufähig ist, versteht sich, und ich kann an dieser Stelle nur dazu ermutigen, sich dieser Bewegung anzuschließen. Nähere Information hierzu findet sich auf der Website der ACK.

In diesem Jahr vergibt die ACK zum vierten Mal einen Ökumenepreis. Wie ist die Resonanz auf diese Auszeichnung?

Mit dem Ökumenepreis möchte die ACK die ökumenische Arbeit an der Basis würdigen. Denn die Ökumene auf der Ebene der Kirchenleitungen und die theologischen Dialoge sind wichtig, aber ohne das ökumenische Engagement in Kirchengemeinden und Verbänden würde ihnen die Erdung fehlen. Für die Ökumenepreis 2019 kann man sich noch bis zum 31. Mai bewerben. Und die Zahl der Bewerbungen kann gut und gerne noch größer werden.

Erstmals hat die ACK jetzt einen orthodoxen Vorsitzenden. Was bedeutet das für die ACK – und inwieweit wirkt sich der aktuelle innerorthodoxe Konflikt auf ihre Arbeit aus?

Im Sinne dessen, was ich schon zum Verhältnis von kleinen und großen Kirchen gesagt habe, ist es ein sehr gutes Zeichen, dass sich die Kirchen gemeinsam von einem Repräsentanten einer der in Deutschland kleineren Kirchen vertreten lassen. Die orthodoxe Kirche und die altorientalischen Kirchen arbeiten seit vielen Jahren sehr zuverlässig und konstruktiv in der ACK mit, und es wurde wirklich Zeit, dass sie auch einmal den Vorsitzenden stellen. Ich bedauere sehr, dass es zwischen dem Ökumenischen Patriarchat und dem Patriarchat von Moskau zum Konflikt gekommen ist, denn eigentlich wollen die Kirchen ja alle ein Zeugnis der Versöhnung geben, die uns in Jesus Christus geschenkt ist. Mitglied der ACK ist die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland (OBKD). Inwieweit sich ein Konflikt zwischen einzelnen Mitgliedern der OBKD auf die ACK auswirken wird, muss man abwarten. Ich bin zuversichtlich, dass Erzpriester Miron als ACK-Vorsitzender es verstehen wird, hier ausgleichend zu wirken.

(c) Katholische Nachrichtenagentur

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